Aus Uffinger Sicht
Wie Richard Brummer in seinem letzten Eis-Artikel feststellt: Eis auf dem Staffelsee ist selten geworden.
Bis gegen 1980 war tragfähiges Eis nahe dem Furtzipfel ab der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr die Regel. Noch in den 1950er Jahren ließ der „Neuwirt“ am Furtzipfel Eistafeln von bis zu 25 cm Dicke aussägen um sie im Bierkeller (auf dem Grund der heutigen Raiffeisenbank) als Kühlmittel zu lagern. Pferde zogen das Eis auf Schlitten ins Dorf.
Noch bis in die 1980er Jahre waren der Nordhang vom Sonnenstein bis gegen Völlenbach zwischen Weihnachten und Ende Februar brauchbares Skigebiet.
Eis und Schnee sind empfindliche Klimaindikatoren. Historische Aufzeichnungen darüber sind wertvoll. Das liegt daran, dass bei diesen Erscheinungen die Summenwirkung verschiedener Faktoren beobachtet wird.
Das gilt entsprechend auch für die Entwicklungsphasen der Vegetation (Blüte, Reife), die bei uns zunehmend verfrüht eintreten. Eine langjährige Serie solcher Daten in Uffing für den Deutschen Wetterdienst ist Gabriele Eidenschink (*1920 - 2015) zu verdanken. Auch das Verhalten der Tierwelt, beispielsweise der Zugvögel, spiegelt das Klima im zeitlichen Verlauf seiner Änderungen. Ebenso ergeben zeitliche Vergleiche der Grenzen im Vorkommen und der räumlichen Zusammensetzung von Pflanzen- und Tierpopulationen wichtige Klimadaten.
Geschichtliches
Das Klima war niemals konstant. Dennoch besteht eine Regelmäßigkeit. Sie wird in über die Jahrhunderte tradierten volkstümlichen Aussagen festgehalten.
Begrenzen wir uns auf die Zwischenwarmzeit seit dem Ende der letzten Kaltzeit von 115 000 bis vor 12 000 Jahren. In dieser bei uns besser bekannt als Würm-Eiszeit bekannten Periode hat das Eis der Loisach-Zunge Ammersee, Starnberger See und auch Staffelsee aus der Molasse (Fels) ausgeschürft. Von einer Jahresmitteltemperatur um die minus 3 0C bis gegen plus 8 0C vor 10 000 Jahren in unserem Raum war die Temperatur sprunghaft angestiegen. Aus 10 000 Jahre alten Hanfpollen in Sedimenten des Ammersee wird geschlossen, dass hier bereits Gartenbau möglich war.
Bis in die Gegenwart als die wärmste Periode nach der Würm-Eiszeit gilt das Atlantikum, grob zwischen 8000 und 4000 Jahre v. Chr.. „Ötzi“ wurde vor mehr als 3000 Jahren v. Chr. eingeschneit. Die Klimaänderungen während der letzten 10 000 Jahre waren gering verglichen mit dem Sprung aus der Kaltzeit, erzwangen aber doch wiederholte Anpassungen des Menschen.
Über diese Zeitspanne hinweg hat sich die Landwirtschaft entwickelt, sind Stadtkulturen entstanden, sind durch Mangel an Nahrung und Wasser wieder untergegangen oder haben zu Konflikten und Völkerwanderungen geführt. Räumlich und zeitlich mit dem Klima veränderte Lebensbedingungen haben die Menschheit schon immer begleitet, allerdings kleinere Gemeinschaften mit anderen Hilfsmitteln als heute.
Als Datum aus klimageschichtlich naher Vergangenheit sei das 13. Jahrhundert genannt. Das Klima im nordwest-europäischen Raum verschlechterte sich, die nördliche Grenze des Weinbaus wich zurück, hoch gelegene Höfe ernteten zu wenig, Epidemien wie die Pest breiteten sich aus. Die eingeleitete „kleine Eiszeit“ in Europa bestand in Serien kalter Winter, nasser kühler Sommer, dazwischen aber auch warme und trockene Sommer. Eis auf dem Bodensee, Eisgänge in der Donau, Missernten waren überhäufig im 16. und 17. Jahrhundert. Eine deutliche Erwärmung begann im 18. Jahrhundert, auf dem Hohenpeissenberg seit 1781 aufgezeichnet.
Das offene Klima der Zukunft
Eine 10000 Jahre währende warme Periode, die Eem-Zeit, ging der Würm-Kaltzeit voran. Die kühlen 1960er Jahre verführten zu Spekulationen, nach gut 10000 Jahren der gegenwärtigen warmen Zeit stehe nun eine neue Kaltzeit bevor. Die Abkühlung war aber durch industrielles Sulfat bedingt, das die Sonnenstrahlung gut reflektiert. Immerhin zeigt die Erfahrung, dass das Klima sehr sensibel auf verringerte Sonneneinstrahlung reagiert.
Wir können uns das Klimasystem vorstellen als ein Ensemble aneinander gekoppelter Schaukeln.
Sie schwingen aber unterschiedlich schnell: Das Eis der Antarktis in der Größenordnung von 10000 Jahren, das Wasser der Ozeane von 1000 Jahren bis hin zur Atmosphäre von nur Tagen. Die Energie der Sonnenstrahlung, welche alle Schaukeln antreibt, ist nicht konstant. Die Energie, die als irdische Strahlung abgegeben und mit der eingestrahlten Sonnenenergie im Gleichgewicht steht, wird durch die „Klimagase“ Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan, Ozon und andere reduziert. Diese wirken als „Glasscheiben“.
In der Würm-Kaltzeit war, wie von im Eis eingeschlossener Luft bekannt, der Anteil an Kohlendioxid wesentlich geringer als heute, jetzt erhöht durch industrielle Verbrennung. Es wäre eine unzulässige Vereinfachung zu meinen, die künftige Konzentration von „Klimagasen“ genau so dosieren zu können, dass das Klima im Durchschnitt für die ganze Welt um 1,5 Grad höher liegen wird als zu Beginn des industriellen Zeitalters.
Die Temperaturerhöhung, die man sich erlaubt, ist auch noch nicht identisch mit dem Wetter und, über die Zeit gesehen, dem Klima. Beide sind das Ergebnis von Zirkulationen in der Atmosphäre und in den Ozeanen auf der rotierenden Erde, von der Speicherung von Wärme in Eis, Wasser und Gestein, letztlich von Tief- und Hochdruckgebieten der Luft und da- mit verbundenen Wettererscheinungen.
Diese Zusammenhänge zu beschreiben setzt Vereinfachungen voraus. Die Zahlenwerte, von denen ausgegangen wird, sind teilweise noch recht unsicher. Die Ergebnisse können nur Abschätzungen dessen sein. die nach heutiger Kenntnis die höchste Wahrscheinlichkeit auf ihrer Seite haben. Die relativ sprunghaften kleinen wie größeren Umstellungen im Klima seitens der Natur zeigen, dass es Prozesse gibt, welche Berechnungen und politische Maßnahmen zu Makulatur machen könnten. Dennoch sind sie für rationales Handeln zwingend notwendig.
Nahrung- und Wasserversorgung
Zum Überleben notwendig sind nur die essbare Vegetation und Wasser. Nutzpflanzen wie Getreide, das dem Klima um 1950 optimal angepasst war, unterliegt nun einer erhöhten Sommertemperatur. Die Wuchsleistung ist jetzt vermindert, weil die Respiration mit der Temperatur zunimmt, die Photosynthese sich aber kaum verändert. Allerdings könnte eine klimatisch verlängerte Vegetationsperiode diesen Zuwachs ausgleichen.
Die Photosynthese wird eingeschränkt, wenn Pflanzen ihre Atemlöcher verengen. Dies wiederum geschieht, wenn die Wasserversorgung bei zunehmender Trockenheit des Bodens über die Wurzeln viel Energie beansprucht. Dürreperioden hemmen die Vegetation, bringen für Land- und auch Forstwirtschaft Einbußen.
In Bayern in diesem Jahrhundert zunehmend häufig anhaltend heiße Abschnitte ohne Niederschlag, aber mit hoher Verdunstung, stellen die Versorgung mit Trinkwasser vor Herausforderungen, auch die Nutzung der Wasserkraft, die Wasserkühlung und die Schifffahrt.
Reinhard Mook, Text
(veröffentlicht in Hoagart 02 | Januar 2022, siehe unten, Seite 60 bis 61)
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