Eingabehilfen öffnen

Das Blaue Land hilft - vereint für die Ukraine!

Dieser Beitrag enthält Wörter.
Die Lesezeit beträgt ca. Minuten.
Leseschwierigkeitsgrad:

25 Jahre Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“

25 Jahre Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“

25 Jahre Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“

Information
Bürger | veröffentlicht am: 28 Juni 2024 | bearbeitet am: 28 Juni 2024

Kurze Chronik einer langen Vorgeschichte

2024 wird das Naturschutzgebiet am Staffelsee 25 Jahre alt: 

Nach vielen Anläufen, langem Ringen und heftigen Auseinandersetzungen trat am 20. März 1999 die Verordnung über das Naturschutzgebiet „Westlicher Staffelsee mit angrenzenden Mooren“ in Kraft. Eines der wertvollsten voralpinen Feuchtgebiete war damit unter strengen Schutz gestellt. Bis dahin war es ein weiter Weg. Anlass genug, einen Blick zurückzuwerfen auf eine lange Vorgeschichte und ein Dreivierteljahrhundert Naturschutzgeschichte(n) am Staffelsee.

1950er Jahre – Erste Schutzbemühungen

1950
Erste behördliche Pläne für eine Unterschutzstellung der Staffelseemoore: Die Hoch- und Niedermoore westlich des Staffelsees – Tannenbachfilz, Obernacher Moos und ein kleineres Spirkenfilz im Unkundenwald – sollen als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden.

An der Ausarbeitung maßgeblich beteiligt ist Dr. Ingeborg Haeckel (1903–1994). Die Botanikerin, Murnauer Schulleiterin und Enkelin des berühmten Zoologen Ernst Haeckel wird zu einer Schlüsselfigur des ehrenamtlichen Naturschutzes in der Region. Heute vor allem als „Retterin des Murnauer Mooses“ legendär, setzt sie sich schon früh auch für den Schutz der Staffelseemoore ein.

1955
Der Staffelsee mit Umgebung wird als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen (bereits 1951 einstweilig sichergestellt). Ausschlaggebend waren Pläne des US-Militärs von 1950 für ein Pionierübungsgelände direkt am Staffelseeufer; sie hatten zu massiven Protesten aus Naturschutz, Bevölkerung und Politik geführt, nicht zuletzt aus Sorge um den Fremdenverkehr.

Das Vorhaben eines (strenger geschützten) Naturschutzgebiets innerhalb des Landschaftsschutzgebiets wird nicht weiterverfolgt – auch wenn die „besondere Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit“ der Staffelseemoore wiederholt amtlich bestätigt wird.

1959
Neben Flurbereinigungsmaßnahmen und Intensivierung der Landwirtschaft befeuert der zunehmende Ausflugs- und Freizeitverkehr die Naturschutzdiskussionen in der Region. Auch in der Uffinger Bevölkerung wächst der Unmut über die „Verrummelung“ der Natur, „rücksichtslose Kraftfahrer“ und „achtlose Wochenendler“.

Landrat Franz Josef Konrad (CSU) droht mit einem Verbot von Baden und Erholung am Staffelsee, sollten die Störungen und Schädigungen von Fauna und Flora und andere Missstände nicht abgestellt werden.

Die Zufahrtsstraßen ins westliche Staffelseegebiet werden für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

Die Pläne für ein Naturschutzgebiet am westlichen Staffelsee bleiben in der Schublade. Erst Jahre später steht das Thema wieder auf der Agenda.

1970er Jahre – Neue Anläufe

1971
Pläne für eine Ringstraße am nördlichen Oberseeufer, um den Obersee für den motorisierten Ausflugsverkehr zu erschließen (nicht realisiert; heute Naturschutzgebiet).

1972
Wiederaufnahme der Pläne für ein Naturschutzgebiet am westlichen Staffelsee und Beginn der fachlichen Vorbereitungen. Anstöße dazu kommen von der Landesstelle für Naturschutz und Landschaftspflege (dem Vorläufer des Landesamts für Umwelt) und dem Bund Naturschutz.

1975
Ein letztes Mal werden in den Staffelseemooren Birkhühner beobachtet. Ein Zusammenhang zwischen ihrem Verschwinden und dem vermehrten Freizeitbetrieb wird vermutet.

Uffing wird offiziell „Erholungsort“. Die Gemeinde treibt die touristische Erschließung ihres Naturraums voran.

Gleichzeitig machen Wissenschaftler verstärkt auf die herausragende ökologische Bedeutung und die dringende Schutzbedürftigkeit der Staffelseemoore aufmerksam. Für manche Beobachter wird das Gebiet in den 1970er Jahren zum traurigen „Musterbeispiel“ dafür, wie auch die letzten verbliebenen Moore durch touristische und landwirtschaftliche Übernutzung vernichtet zu werden drohen.

1979
Erster Entwurf für eine Naturschutzgebietsverordnung liegt vor. In den folgenden 20 Jahren wird er noch mehrfach überarbeitet.

1980er Jahre – Wettlauf mit der Zeit

1983
Trotz naturschutzfachlicher Bedenken Anlage eines Wanderwegs samt Brücke (Bahlsen-Brücke) in den Ach-Niederungen.

1984
Landrat Dr. Helmut Fischer (CSU) spricht sich mit Nachdruck für ein Naturschutzgebiet am westlichen Staffelsee aus.

1985
Pläne für einen Großparkplatz am Obersee (nicht realisiert).

Kiebitz und Großer Brachvogel brüten ein letztes Mal in den Ach-Niederungen. Die Artenvielfalt im Staffelseegebiet schwindet zusehends. Vor allem Vogel-, Reptilien-, Amphibien-, Insektenarten und die Flora der Magerwiesen sind betroffen.

Verstärkt schalten sich Privatleute, Naturschutz- und andere gemeinnützige Organisationen ein, dokumentieren die Verluste und drängen bei den Behörden auf eine zügige Unterschutzstellung.

1987
Naturschutzfachliches Gutachten als Grundlage für eine Inschutznahme liegt vor (1992 aktualisiert).

1989
Ortstermin im Gelände mit Vertretern von Bund Naturschutz, Landtag, Staats- und Bezirksregierung, Landratsamt und den Gemeinden Uffing und Seehausen. Fazit des Umweltministeriums: Die Stimmung vor Ort für eine Inschutznahme sei günstig.

1990er Jahre – Neue Verzögerungen und ein turbulentes Finale

1990
Landratsamt und Regierung von Oberbayern sind sich einig, dass das Naturschutzgebiet „baldmöglichst“ kommen soll. Ein Zeithorizont wird nicht festgelegt.

1991
Landtagsanfrage der Grünen, was nach 20 Jahren Vorbereitungszeit aus den Plänen geworden sei.

1992
Beginn der Vorverhandlungen mit den betroffenen Gemeinden Uffing, Seehausen, Murnau und Bad Kohlgrub sowie Interessensträgern aus Land-, Fischerei-, Fortwirtschaft, Sport und Freizeit.

1994
Die Einleitung des förmlichen Verfahrens wird auf Empfehlung des Landratsamts zurückgestellt. Hauptargument ist die aufgeheizte Stimmung in der Region aufgrund des laufenden Naturschutzgroßprojekts rund ums Murnauer Moos („Moosprojekt“).

1997
Einleitung des förmlichen Verfahrens mit öffentlicher Auslegung und Anhörung.
Massiver Widerstand in Uffing. Es kommt zu zahllosen Einsprüchen, Protestbriefen, Unterschriftenlisten und turbulenten Bürgerversammlungen. In der Bevölkerung sorgen vor allem die vorgesehenen Betretungsbeschränkungen für Unverständnis und Verbitterung. Vom Schutz der Natur spricht kaum jemand.
Die Regierung von Oberbayern befasst sich eingehend mit den Einwänden.

1998
Ein überarbeiteter Schutzgebietsentwurf liegt vor. Die Proteste halten an.

1999
Die endgültige Schutzgebietsverordnung liegt vor. Am 20. März 1999 tritt sie in Kraft. Sie enthält erhebliche Einschnitte am ursprünglichen Schutzkonzept und zahlreiche Zugeständnisse an verschiedenste Nutzer- und Interessengruppen.

Heute

2020
In Reaktion auf den wachsenden Freizeitdruck, vor allem während der Corona-Pandemie, ruft die Gemeinde Uffing eine Naturschutzwacht ins Leben. Das gefällt nicht allen.

2024
Beim Uffinger Gaudiwurm am Faschingsdienstag wird der Naturschutz am Staffelsee aufs Korn genommen. Die Lokalpresse berichtet ausführlich.
Zum 25-jährigen Bestehen des Naturschutzgebiets gibt eine Ausstellung im Heimatmuseum Uffing (19.7.–4.8.2024) Einblick in den fragilen Schatz vor unserer Haustür.

***

Die Ausweisung als Naturschutzgebiet vor 25 Jahren hat wesentlich dazu beigetragen, die Vielfalt der Lebensräume und den Artenreichtum am westlichen Staffelsee zu erhalten. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft, insbesondere für den Erhalt der Streuwiesen. Diese beherbergen eine Vielzahl gefährdeter Pflanzenarten und sind eines der letzten Brutgebiete in der Region für wiesenbrütende Vogelarten wie Kiebitz, Braunkehlchen oder Wachtelkönig. Seit 20 Jahren ist das Naturschutzgebiet zugleich Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000.

Anhaltende Herausforderungen und Gefährdungen sind Freizeitbetrieb, Nährstoffeinträge, invasive Arten, Klimawandel und die weltweite Biodiversitätskrise, die auch vor Naturschutzgebieten nicht Halt macht.

Regina Wenninger,
Naturschutzwacht Uffing

Diese Chronik beruht hauptsächlich auf Quellenmaterial aus dem Marktarchiv Murnau und dem Landratsamt Garmisch-Partenkirchen. Eine ausführliche Aufsatzpublikation ist in Vorbereitung.

(veröffentlicht in Hoagart 12 | Juli 2024, siehe unten, Seite 8)

 

Juli 2024

ClimateID Tracking (Umwelt-Zertifikat Hoagart)

  

Redaktion (ehrenamtlich)
Sascha Chowdhury (Redaktion Hoagart)
Redaktionsteam: Sascha Chowdhury (Redaktionsleitung, Bürger, Gewerbe, Kommune), Franz Huber (Kunst und Kultur), Reinhard Mook (Natur und Philosophie)

Was denken Sie?

Schreiben Sie an die Redaktion!
Hinweis: Nach dem Absenden Ihres Kommentars erscheint hier eine kurze Versandmitteilung.

Neue Beiträge

 
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
 
Das Wort "Hoagart" leitet sich vom mittelhochdeutschen "Heingarte" ("Heimgarten") ab und bezeichnet ursprünglich den Garten vor dem Haus. Traditionell ist mit "Hoagart" ein gemütliches Beisammensein mit Nachbarn, Freunden oder Bekannten gemeint, gern auf dem Hausbankerl, bei dem viel erzählt, geschimpft und gelacht wird. Seinen Sie mit dabei und zeigen Sie sich als ortsansässiger Bürger aktiv mit ihrem Engagement, ihren Interessen und ihren Ansichten. 

Hoagart: Austrägerinnen und Austräger gesucht