Gewitter sind ein komplexes Phänomen. Der Begriff ist verbunden mit elektrischen und akustischen Erscheinungen, stets mit mächtigen Quellwolken.
Darüber hinaus treten häufig starker Wind, örtlich Starkregen oder Hagel auf. Als Vorzeichen gelten Schwüle, bedingt durch warme Luft mit hohem Wasserdampfdruck. Wetterfühlige berichten von Müdigkeit, welche von elektromagnetischer Strahlung aus starken vertikalen Luftbewegungen ausgelöst sein könnte. Die Deutung des Gewitters als göttliches Strafgericht und die Überzeugung von Gottes Allmacht begründen das Abbrennen einer in Uffing geweihten, schwarzen Wetterkerze, um Schadenswetter abzuwenden.
Zur Beobachtung von Gewittern
Bereits statistische Jahrbücher für Bayern der 1850er Jahre problematisierten die Zuordnung von Gewittern und deren Häufigkeit zu bestimmten Orten oder einer Gegend. Blitze sieht man, zumal nachts, über weite Entfernungen. Zwei Drittel der Blitze sind Entladungen zwischen den Wolken. Den Donner hört man, je nach Wind und Luftschichtung, verschieden weit oder gar nicht. Die subjektive Zuordnung von Gewittern zu Orten, die Unterscheidung einzelner Gewitter, die Erfassung ihrer Dauer und „Schwere“, machen die Vergleichbarkeit von Aufzeichnungen schwierig. Die je nach Wetterlage von Jahr zu Jahr erheblich wechselnden Häufigkeiten erlauben es nur sehr ungewiss auf die zu erwartende Zahl von Gewittern zu schließen.
Die Aussagekraft jährlicher Häufigkeit lässt sich erhöhen, wenn wir diese auf „gewittrige Tage“ in einem Raum verallgemeinern. Als gewittrig gilt im Folgenden jeder Tag, an dem im Raumstreifen zwischen der vordersten Voralpenkette (Hörnle und Herzogstand) und Hohenpeißenberg, vom Trauchgau bis zum Blomberg, Gewitter aufgetreten sind. Neben den herkömmlichen Beobachtungen durch Personen an Wetterstellen lassen sich in neuer Zeit Blitze zählen und orten, in dem die von diesen ausgehenden elektromagnetischen Impulse registriert werden. Auch durch Radar-Echo lässt sich der Lebenslauf der Gewitterzellen verfolgen und zu kurzfristigen Gewitterwarnungen nutzen.
Gewittrige Tage um Uffing
Die Alpenkante zwischen Lech und Schliersee scheint besonderer Blitzhäufigkeit ausgesetzt zu sein. Dafür gibt es meteorologische wie auch bodenbedingte mögliche Ursachen. Die Zahl gewittriger Tage um Uffing war im Monatsmittel der Jahre 1999 bis einschließlich 2018 abgerundet auf ganze Zahlen für April drei, Mai fünf, Juni und Juli je sechs, August fünf und September zwei.
Gewitter sind im Voralpenland ein Sommerphänomen, doch nicht ausschließlich. In den sechs Monaten der kalten Jahreszeit tritt durchschnittlich jedes zweite Jahr ein gewittriger Tag auf. sodass sich für den Uffinger Raum jährlich 30 gewittrige Tage ergeben. In Garmisch, am Fuße des nicht zufällig so benannten Wetterstein, dürften mindestens im Mai sechs, im Juni und Juli je sieben gewittrige Tage vorgekommen sein, damit jährlich 33.
Wärmegewitter
Zu unterscheiden sind lokale Gewitter von Gewittern, die an Luftmassenfronten verschiedener Skalen räumlicher Ausdehnung gebunden oder in ihnen eingelagert sind. Der Unterschied in der Häufigkeit um den Staffelsee und dem Wetterstein beruht auf den Bedingungen örtlicher Sommer- oder Wärmegewitter. Diese sind oft einzelne Zellen von kürzer als einstündiger Lebensdauer.
Die Oberflächen baumloser und insbesondere trockener Südhänge können im Juni und Juli durch Einstrahlung der Sonne bis zu 70 0C erreichen. Die von der Bodenunterlage erwärmte Luft hat Auftrieb gegenüber der kälteren darüber liegenden Luft und steigt als Blasen vom Boden auf. Kältere Luft ersetzt sie. Über kühleren Flächen, von der Sonneneinstrahlung abgewandt oder Wasser, tritt dieser Prozess schwächer oder später ein. Die ersten Quellwolken, später Gewitterwolken (Cumulonimbus), ziehen nicht selten bei Südwestwind von den Ammergauer Bergen her im Uffinger Raum auf. Die aufsteigende Luft kommt unter abnehmenden Luftdruck, weitet sich aus und kühlt ab (weil sie physikalisch Arbeit leistet).
Eine weitere Bedingung für Gewitter ist viel Wasserdampf, der sich später in örtlichen Starkregen zeigt. Die Verdampfung seitens Vegetation und Boden entzieht diesen Wärme (Energie), die im Dampfzustand verborgen ist. Sie tritt als fühlbare (mit dem Thermometer messbare) Wärme wieder auf, sobald der Wasserdampf bei Abkühlung unter die Taupunkttemperatur zu Wolken kondensiert. Diese Wärme gibt der Luft zusätzlichen Auftrieb, sichtbar an der blumenkohlähnlichen, schnell in die Höhe schießenden Form der Wolke. Weitere Wärme, die Schmelzwärme von Eis, wird fühlbar wenn bei der Frostpunkttemperatur sich Eis bildet.
Eis in der Wolke zeigt sich an einer faserig unscharfen Struktur ihrer Ränder. Eis bindet Wassermoleküle fester als flüssiges Wasser. In Gegenwart von Eis verdampfen Wassertröpfchen und schlagen sich als Eis auf Eis nieder. Die Eispartikel wachsen dann schnell zu Niederschlag. Partikel, die im Aufwind mehrfach durch die Wolke getragen werden, wachsen zu Hagelkörnern an. Schmelzender Hagel und verdampfender Niederschlag führen am Boden zu kaltem und zuweilen stürmischem Fallwind.
Frontgewitter
Nicht jeder heiße Hochsommertag wird ein gewittriger Tag. Das liegt an der Bedingung für Gewitter, dass in der Höhe um die 10 km ein divergenter (auseinander gerichteter) Höhenwind weht. Dadurch wird Luft in die Höhe gesaugt und der Auftrieb entscheidend unterstützt. Örtliche Gewitter kündigen oft das Ende einer Schönwetterperiode an. Bei dieser wird durch konvergente Höhenwinde Luft gegen den Boden gedrückt. Das Barometer zeigt im ersten Fall fallende Tendenz, im zweiten aber Hochdruck an. Wetterfronten verschiedener räumlicher Ausprägung, insbesondere die zu den Tiefdruckwirbeln über dem nördlichen Atlantik gehörigen Kaltfronten, ergeben starke vertikale Luftbewegungen. Einfließende Kaltluft hebt Warmluft, um Uffing noch verstärkt durch den erzwungenen Aufstau an den Alpen. Gewitter, die in breite Kaltfrontzonen eingelagert sind, treten unabhängig von der Tageszeit auf, dagegen lokale oder regionale Wärmegewitter vor allem nachmittags bis abends oder Mitternacht. Zwar werden die Frontgewitter im Sommer durch die Tageserwärmung verstärkt, bleiben aber aktiv, solange die Frontzone über einem Gebiet liegt. Die im Uffinger Klima seltenen Wintergewitter sind Frontgewitter, oft nur mit wenigen Blitzen aus tiefen Wolken.
Energie eines kleinen Gewitters
Durch heftige vertikale Bewegungen von Luft und Wolkenpartikel werden elektrische Ladungen aufgebaut. Sie erreichen mehrere zehn Millionen Volt. Bei Entladungen fließen ruckweise Stromstärken von Tausenden Ampère. In Blitzkanälen erreichen die ionisierten Luftgase Tausende Grad.
Die klimatisch große Bedeutung der Gewitter und des Niederschlags allgemein liegt im Transport von Wärme durch Wasserdampf vom Boden in die Atmosphäre.
Ein Zahlenvergleich zeigt, welch große Energie in einem kleinen Gewitter umgesetzt und physikalisch Leistung erbracht wird. Die Energie, hier von Wärme, wird in Joule angegeben, die Leistung (der Fluss von Energie) in Watt. Dabei ist ein Joule je Sekunde gleich einem Watt. Als Vergleichsobjekt wählen wir eine elektrische Lokomotive mit einer Leistung von fünf Millionen Watt.
Einer Wolke werden durch Kondensation von Wasserdampf bei 00C 2,5 Millionen Joule je kg Wasser zugeführt. Dazu kommt Wärme durch Gefrieren, bei minus 150C 0,3 Millionen Joule je kg Wasser. Angenommen ein halbstündiger Schauer liefere 3 mm Niederschlag. Da jeder Millimeter Niederschlag verteilt auf einem Quadratmeter (m2) Fläche einem Liter Wasser entspricht, ergeben sich je Quadratmeter (m2) 3 kg Wasser. Diese geben an die Atmosphäre 8,4 Millionen Joule je m2 Wärme ab. Da der Niederschlag über 1800 Sekunden verteilt fällt, beträgt die Leistung 0,0047 Millionen Watt je m2 Wolkenboden.
Die Leistung von fünf Millionen Watt der Lokomotive wird bereits von der Wärme erbracht, welche der Wasserdampf über eine halbe Stunde entsprechend dem Niederschlag von 3 mm auf 1064 m2 an die Atmosphäre abgibt. Diese Fläche entspricht einer Niederschlagsröhre mit einem Durchmesser von 36,8 m. Die Leistung eines Gewitters über 25 km2, bei dem nur aus 10 Prozent der Grundfläche Niederschlag fiele, entspräche dann der Leistung von 2350 Lokomotiven.
Reinhard Mook
Foto „Mehrere Gewitterzellen“ © Redaktion Hoagart
(veröffentlicht in Hoagart 03 | April 2022, siehe unten, Seite 42 und 43)
Was denken Sie?
Schreiben Sie an die Redaktion!
Hinweis: Nach dem Absenden Ihres Kommentars erscheint hier eine kurze Versandmitteilung.