"Wasserkraft"
Wassertemperaturen
Mit „Badesee“ sind sommerliche Verhältnisse gemeint. Das Prädikat „wärmster See Oberbayerns“ bezieht sich auf Tagesdurchschnittstemperaturen um die 23 °C in der obersten Wasserschicht von einem Meter zwischen Mitte Juni und Mitte August. Bei Sonnenschein, die Nacht nicht berücksichtigt, liegt der Durchschnitt bei 24 °C, etwas abhängig vom Ort im See. Mitte Mai und Ende September können nachmittags um die 20 °C bis 21 °C erreicht werden.
An einzelnen Nachmittagen ohne Wolken, doch dunstig oder gar schwül (viel Wasserdampf in der Luft) bei nahezu Windstille, werden stundenweise bis 27 °C erreicht. Die Lufttemperatur liegt dann um die 30 °C. Die von Strahlung und Luft dem Wasser zugeführte Wärme einerseits, mit der Eigenstrahlung der Seefläche und vom verdampften Wasser mitgenommene Wärme andererseits, begrenzen die maximal erreichbare Wassertemperatur.
Wind, Mischung und Temperaturen
Im seichteren südlichen Teil des Sees (Obersee) werden bei Wind etwas höhere Temperaturen erreicht als im tieferen nördlichen Teil (Untersee). Denn hier, wegen der größeren Tiefe (siehe unten), wird etwas kühleres Wasser aufgewirbelt.
Stetiger Wind schleppt warmes Oberflächenwasser ans Gegenufer. Am Ufer der Seite, von welcher der Wind weht, steigt tieferes und daher kühleres Wasser auf. Denn unter der Deckschicht, angetrieben vom Wind, besteht eine gegenläufige, das Wasservolumen ausgleichende Wasserbewegung. Dabei ergeben sich von Ufer zu Ufer Temperaturunterschiede von 2 bis 3 Grad.
Auch kaum merkbarer Wind ist stets turbulent. Örtlich verschieden verschobenes Oberflächenwasser kann spürbar verschieden temperierte „Kissen“ oder „Linsen“ von Wasser ergeben.
Kräftiger Wind, insbesondere Fallwind bei Gewitter, durchmischt das Wasser des Sees teilweise bis zu etwa fünf Metern Tiefe. Kalter Regen großen Volumens kühlt eine warme Deckschicht durch Mischung ab.
Bei nur schwachem Wind und beginnendem kalten Regen lassen sich verschieden temperierte und dichte Wasserfilme am Grauton des zurückgeworfenen Lichtes ihrer Oberfläche unterscheiden.
Vom Wind gut gemischtes Wasser hat vertikal in der Mischungsschicht die gleiche Dichte und Temperatur. Liegt wärmeres Wasser darunter, steigt dieses, weil weniger dicht, auf und legt sich über die Mischungsschicht. Freilich wird diese durch die Umschichtung wiederum vermischt. Auch in dieser Weise bilden sich Zonen wärmeren und kälteren Oberflächenwassers. Bleibt die vom Wind geschaffene Mischungsschicht die wärmste, so bildet diese eine neue stabile Deckschicht.
Allgemein gilt: Wird Wärme vom Wasserkörper an die Atmosphäre abgegeben, sinkt gekühltes Wasser und wärmeres steigt auf. Wird der Wasserkörper von der Atmosphäre her erwärmt, so bildet sich bei einer Wassertemperatur wärmer als 4 °C eine stabile Deckschicht aus.
Beimengungen im Staffelsee
Wasser aus den im Westen und Norden des Obersees gelegenen Mooren ergibt einen hohen Anteil im See schwebender organischer Partikel und auch Lösungen. Sie geben in seichtem Wasser bei Sonnenlicht gegen den sichtbaren Boden einen gelblichen Farbton. Nach Starkniederschlag, Eintrag von Oberflächenwasser von Bodenflächen, tritt auch Braunfärbung durch Mineral- und Humuskörner auf. Wellenschlag bei hohem Wasserstand ans Ufer kann ebenso Boden abschwemmen.
In seichten Uferzonen abgestorbenes Pflanzenmaterial wie Schilf und Binsen, auch Material von Mikroorganismen, werden zu Schlamm abgebaut. Dabei bildet sich Methan, das bei Druck durch Betreten oder spontan in Bläschen durch das Wasser entweicht. Die Zeitlänge, in der aufgewirbelter Schlamm im Wasser schwebend bleibt, ist ein Maß für die Größe der Partikel.
Zur Blütezeit kann die Wasseroberfläche örtlich kompakt mit Pollen bedeckt sein. Unterschiede in der Dichte des Pollenteppichs zeigen Unterschiede in der Wasserbewegung an.
Der Zufluss an Oberflächen-, Boden- und Grundwasser erfolgt über und durch eiszeitlichen Schutt des Loisach-Gletschers der letzten Eiszeit (Würm-Kaltzeit). Von Kohlendioxid der Luft im Wasser gelöster Kalk macht das Wasser „hart“. Diese Eigenschaft kann dazu beitragen, dass bei intensivem Badebetrieb lokal pharmazeutische Hautprodukte (Öle) ausgewaschen werden und sich lokal an der Wasseroberfläche finden. Sie sind auffällig durch schillernde Interferenzfarben, erzeugt durch unterschiedliche Weglängen, teils verstärkende und teils schwächende Wellenlängen des Lichtes.
Durch Wasservögel und wohl auch Menschen treten zeitweise hohe Konzentrationen an Mikroorganismen auf. Durch Windmischung, aber auch nächtliche Abkühlung und anschließend sinkendes Oberflächenwasser, tritt Verdünnung ein. Im gleichen Sinn wirkt kühler Niederschlag auf eine wärmere Seefläche, durch welche das schwerere Niederschlagswasser absinkt und unerwünschte Schwebestoffe von der Wasseroberfläche entfernt.
An einzelnen heißen Tagen ohne hinreichende Durchmischung der stabil geschichteten Deckschicht kann ihr Sauerstoffgehalt gering werden.
Einfluss der Landschaft
Das Becken des Staffelsees wurde vom Eis des vor 20.000 Jahren alpin bis zu 1.000 Meter mächtigen Loisach-Gletschers ausgeschürft. Moränen zeigen, dass die Gletscherzunge die heutigen Siedlungen Landsberg und Grafrath erreichte. Bei Zerfall des Gletschers, vielleicht ab 15.000 Jahren vor heute, blieb Toteis oder ein Steingletscher im Becken liegen. Gemeint ist ein nicht mehr erneuerter Eiskörper, der mit Schutt des Loisach-Gletschers bedeckt gegen die Wärme der Atmosphäre teilweise isoliert war. Das Eis könnte sich bis um 11.000 Jahre vor heute gehalten haben. Lehm des ursprünglichen Deckmaterials dichtet den heutigen See ab.
Die durchschnittliche Tiefe des Staffelsees unter dem mittleren Wasserspiegel beträgt 9,8 m. Die Wassersäule, die sich im Frühjahr durch Umwälzung auf über 4 °C erwärmen muss, bevor sich von der Atmosphäre her eine stabile zunehmend warme Deckschicht ausbilden kann, ist daher gering.
Die tiefste Stelle liegt nördlich der Insel Buchau in Richtung Mühlwörth („Rabeninsel“) bei 39 m. Insgesamt ist der Obersee seichter als der Untersee, sodass der Obersee früher eine etwas höhere Wassertemperatur erreicht als der Untersee, aber im Herbst auch früher auf 4 °C abgekühlt wird und sich hier zuerst Eis bildet.
Der Staffelsee stellt eine Erweiterung der Ach dar. Die Wasserbewegung wird durch Form und Volumen des Seebeckens und die je Zeiteinheit zu- und abgeführten Volumen bestimmt.
Die mittlere Wasserfläche beträgt ca. 7,65 km2, das Wasservolumen des Sees ca. 75 Millionen m3. Der See wirkt als Wasserspeicher, durch den der Wassertransport zeitlich verzögert und seinem Volumen nach ausgeglichen wird. Der im Sommer (1. Mai bis 31. Oktober) der Jahre 1972 bis 2016 höchste Pegelstand in Seehausen war 649,75 m NN, der niedrigste 648,28 m. Die Höhen des Wasserspiegels schwankten in diesen 44 Sommern um weniger als den extremen 1,47 m.
Die Temperatur zugeführten Wassers ändert sich durch den zeitlichen Aufenthalt und seine Lage im Wasserkörper des Sees. Der Abfluss über die Bodenschwelle am Ausfluss in die Untere Ach bedeutet, dass nur Oberflächenwasser abgezogen wird, oberhalb 4 °C das wärmste Wasser, wenn kälter als 4 °C das kälteste. Wasser, das in den See eintritt, darunter die Obere Ach und Grundwasser vom Riegsee her, breitet sich in derjenigen Seetiefe aus, in welcher es sich von seiner Dichte (Temperatur) her im Gleichgewicht befindet.
Im Sommer von der Landoberfläche dem See zugeführtes Wasser wird in der Regel warm sein und in die Oberflächenschicht des Sees münden. Doch in kühlen Regenperioden kann der Zufluss auch kälter als die Deckschicht des Sees sein und daher unter diese tauchen.
Das Einzugsgebiet des Staffelsees an Niederschlag wird gebildet von den west-ost-verlaufenden Molasserücken südlich und nördlich des Sees, im Westen abgegrenzt vom Umland des Bayersoier Sees, im Osten den Schotterrücken gegen den Riegsee. Das Gebiet umfasst 78 km2 (einschließlich 7,65 km2 Seefläche und 0,47 km2 Inseln).
Der Bayersoier See, umgebende Gräben und Bäche von Mooren liegen in Höhen um 800 m NN. Doch der größte Anteil an den Zuflüssen in den auf 649 m NN gelegenen Staffelsee kommt von Gelände tiefer als 700 m NN. Im Gegensatz zu höheren Berglagen können Sommernächte am Boden relativ warm bleiben. Ausgedehnte Wälder, deren Kronen den Boden vor nächtlicher Ausstrahlung abschirmen, große Wärmekapazität der Moore, wirken großen Kurzzeit-Schwingungen der Temperatur der Zuflüsse entgegen.
Die entscheidenden Bedingungen, welche den Staffelsee im Sommer relativ hohe Temperaturen erreichen lassen, sind seine geringe Wassertiefe und dem im Verhältnis zum Seevolumen bescheidenen Zufluss aus warmer Umgebung.
Energie durch Strahlung
Die bestimmende Wärmequelle für das Seewasser ist die in ihm absorbierte und somit in Wärme umgewandelte Sonnenstrahlung. Auf Satellitenbildern erscheinen Wasserflächen nahezu schwarz, ein Zeichen starker Absorption. Das trifft zu für gestreute Sonnenstrahlung, etwa unter einer Wolkendecke. Mindestens 90 Prozent der Sonnenergie wird in Wärme umgewandelt, fast unabhängig von der Höhe der Sonne über dem Horizont.
Bei klarem Himmel und direkter Sonnenstrahlung werden die Strahlen mit dem spitzen Winkel zwischen Strahl und Wasserfläche zunehmend reflektiert oder gespiegelt. Blendung beim Schwimmen der tiefstehenden Sonne entgegen, aber auch Erwärmung am Ufer durch die vom Wasser reflektierte Sonnenstrahlung, sind bekannt.
Bei 5 Grad hoher Sonne werden 70 Prozent der Energie zurückgeworfen, bei 10 Grad noch etwa 35 Prozent, erst bei 30 Grad nur noch 10 Prozent, die nicht zur Erwärmung des Wassers beitragen. Bei noch höherer Sonne besteht kaum mehr ein Unterschied im Anteil absorbierter Strahlung zu bewölktem Himmel. Der große Unterschied zwischen klarem und bewölktem Himmel besteht (Sonnenhöhe über 30 Grad) dann nicht mehr im absorbierten Anteil (mindestens 90 Prozent), sondern im Angebot an Strahlungsenergie: Zur Zeit der Sommersonnenwende eine Tagessumme bei klarem Himmel von 8000 bis 9000 Wh/m2, unter Wolken, je nach deren Ausprägung, weniger als die Hälfte.
Wie tief die Sonnenstrahlung ins Wasser eindringt, ist stark abhängig von der Wellenlänge. Ultraviolett ist in einem Meter Tiefe nur um ca. 2 Prozent des Angebots geschwächt. Ein Grund, sich auch im Wasser gegen Ultraviolett zu schützen. An sichtbarem Licht erreichen um 40 Prozent einen Meter Tiefe, Blau tiefer als Orange, außerdem sehr abhängig davon, wie rein das Wasser ist. Die erwähnten Beimengungen im Staffelseewasser aus Mooren begünstigen die Absorption und damit die Erwärmung des Wassers. Infrarot („Wärmestrahlung“) ist bereits in 10 cm Wassertiefe völlig absorbiert.
Alle Körper strahlen gesetzmäßig entsprechend ihrer Temperatur. Die Sonnenstrahlung entspricht einem Körper von nahezu 5000 Grad. Die von irdischen Körpern ausgehende Strahlung ist, wegen der tieferen Temperaturen, erheblich langwelliger, dem Auge nicht sichtbares Infrarot. Diese Strahlung, die auch von der Wasserfläche ausgeht, kühlt den Wasserkörper tags wie nachts.
Infrarote Strahlung geht auch aus in Richtung Erdoberfläche von Wasserdampf in der Luft und vor allem der Unterseite einer Wolkendecke. Viel Wasserdampf und warme Wolken verringern netto den Wärmeverlust des Sees durch absorbiertes Infrarot vom Himmel. Kräftige Sonneneinstrahlung bei Tage, warme Wolken nachts, wären ein „Rezept“, um warmes Badewasser zu erreichen.
Energie mittels Luft und Wasser
Die im Vergleich zu anderen Substanzen in der Natur große Wärmekapazität des Wassers zeigt sich im strahlungsbestimmten Tagesverlauf der Wassertemperaturen. Das Oberflächenwasser erreicht erst etwa gut zwei Stunden nach Sonnenhöchststand das Maximum. Erst Stunden nach Sonnenaufgang übertrifft der Wärmegewinn durch absorbierte Sonnenstrahlung den Verlust an Wärme durch Ausstrahlung. Im Verlauf des Sommers werden hohe Wassertemperaturen im Juni kurz vor der Sonnenwende, aber noch fast zwei Monate danach erreicht.
Weitere für die Wassertemperatur wesentliche Prozesse sind der Austausch von Wärme zwischen Luft und Wasser gemessen als Temperatur und der Austausch geknüpft an Verdunstung und Tau. Letzterer ist unbedeutend, weil fast alles verdampfte Wasser als Niederschlag zurückkehrt, die Wärme aber im Wolkenraum bleibt. Der Austausch von „fühlbarer“ Wärme, stets in Richtung vom wärmeren zum kälteren Stoff, und von Wärme im Wasserdampf „verborgener“ in der Richtung geringeren Dampfdruckes, wird intensiviert mit zunehmendem Wind. Je kräftiger die Bewegung kühler und relativ trockener Luft, um so schneller friert eine nasse Person.
Es ergibt sich aus den thermischen Eigenschaften von bewegtem Wasser und bewegter Luft, dass von Wärme in der Grenzfläche beider Medien etwa 75 mal mehr Wärme in das Wasser als in die Luft fließt.
Die Obergrenze der Wassertemperatur wird von Wärmeverlusten bestimmt:
1. Der Ausstrahlung, welche mit der Oberflächentemperatur stark ansteigt.
2. Der Verdampfung, welche mit dem Sättigungsdampfdruck und dieser wieder mit der Wassertemperatur zunimmt.
Reinhard Mook
Foto © Seth Doyle
(veröffentlicht in Hoagart 04 | Juli 2022, siehe unten, Seite 15)
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