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Landwirtschaft im Wandel der Zeit

Landwirtschaft im Wandel der Zeit

Landwirtschaft im Wandel der Zeit

Information
Bürger | veröffentlicht am: 29 Dezember 2021 | bearbeitet am: 29 Dezember 2021

Nur wenige Menschen in Uffing und der Schöffau erinnern sich noch an die Zeit, als fast jedes Haus einen Stall hatte. Im Jahr 1940 zählte die Gemeinde 113 Rinderställe, aber im Laufe der 1960-er Jahre gaben immer mehr Landwirte ihre Betriebe auf.

Derzeit gibt es im gesamten Gemeindegebiet Uffing noch gut 50 landwirtschaftliche Betriebe, jeweils die Hälfte in Uffing und Schöffau. 33 Betriebe haben Milchviehhaltung, das sind in der Regel die Haupterwerbsbetriebe. Ein Haupterwerbsbetrieb hat Pensions-Pferdehaltung. Die restlichen, also knapp 20 Höfe, betreiben die Landwirtschaft als Nebenerwerb.

In Schöffau bewirtschaften  immer noch ein Großteil der Landwirte ihre Flächen selbst, die Pachtflächen machen bei den meisten Betrieben deutlich weniger als 50 % aus, es gibt einige wenige, die gar keine Pachtflächen haben.

In Uffing haben aufgrund des Strukturwandels besonders viele Betriebe in den 70er Jahren die Landwirtschaft aufgegeben. Da es viele kleinere Betriebe mit wenig Eigentumsfläche gibt, macht der Pachtflächenanteil bei den heutigen Haupterwerbsbetrieben meist mehr als 50 % aus, bei einigen ist sie ein Vielfaches der Eigentumsfläche.

Mentalität der Landwirte

Dies Haus ist mein und doch nicht mein.
Der nach mir kommt, kann's auch nur leih'n.
Und wird's dem Dritten übergeben,
er kann's nur haben für sein Leben.
Den Vierten trägt man auch hinaus,
sag, wem gehört nun dieses Haus?

So sieht man es vereinzelt auf Häusern geschrieben. Dieser Spruch drückt so was wie einen „Ehrenkodex“ aus, an den man sich als Landwirt gebunden fühlt. Der Betriebsleiter bekommt den Hof in der Regel von seinen Eltern übergeben. Er kann mit seiner Familie vom Hof leben, soll ihn aber wieder an die nächste Generation weitergeben. Seine Aufgabe ist dabei, den Betrieb so weiterzuentwickeln, dass auch die nächste Generation ein Auskommen hat. Dabei kann nie der kurzfristige Gewinn das Ziel sein, so ist es zum Beispiel ein absolutes „No-Go“, den evtl. zum Hof gehörenden Wald komplett abzuholzen und den Ertrag daraus privat zu verbrauchen, ebenso ist es mit dem Verkauf von Grundstücken. Dies ist, wenn überhaupt, nur tragbar, wenn man das Geld für die langfristige Weiterentwicklung des Hofes einsetzt.

Aufgrund dieser „Verpflichtung“ tun sich Landwirte allgemein sehr schwer den Hof aufzugeben. Dazu besteht eine wesentlich höhere Bindung zum Betrieb als in anderen Bereichen, man wächst auf dem Hof auf und ist von Kindesbeinen an mit integriert. Wenn ein junger Betriebsleiter den Betrieb weiterführen will, steht oft zwangsläufig die Entscheidung an, einen neuen Stall zu bauen. Die bestehenden Ställe sind arbeitswirtschaftlich nicht mehr zu bewältigen, sie sind zu eng und zu niedrig und nicht mehr „Tierwohl gerecht“. Im Ort ist zu wenig Platz, um An- oder Umbaulösungen zu realisieren. Anbinde-Haltung ist nicht mehr zeitgemäß, die derzeitige Diskussion zum Verbot der Anbinde-Haltung tut ein Übriges dazu. Wer aber diesen Schritt zum Stallneubau geht, der muss zwangsläufig die Produktion erheblich steigern, da er die Stallbaukosten sonst nicht erwirtschaften kann.

Einkommenssituation in der Landwirtschaft

Wie allgemein bekannt stagnieren die Erzeugerpreise in der Landwirtschaft. Da in unserer Gemeinde vorrangig Milchwirtschaft betrieben wird, soll in diesem Bereich die Entwicklung betrachtet werden. Als eine Bäuerin Ende 1988 den elterlichen Betrieb übernahm, betrug der Auszahlungspreis bei der ersten Milchgeldabrechnung 67,05 Pf für den Liter Milch bei 3,97 % Fett und 3,36 % Eiweiß (Molkereidurchschnitt), das entspricht umgerechnet 34,28 ct. Im Februar 2021 lag der Auszahlungspreis im  Durchschnitt bei 34,04 ct. Der Erzeugerpreis ist in 30 Jahren also trotz stetig steigender Produktionskosten um 0 % gestiegen.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Zeiten, in denen der Preis etwas über dem Durchschnitt lag, es mussten aber auch 4 Jahre überstanden werden, in denen der Preis erheblich niedriger war. Die betrieblichen Aufwendungen steigen dagegen immer weiter an. So haben sich zum Beispiel die Strompreise seit der Euro-Einführung fast verdreifacht, das gleiche gilt für Wasser. Diesel kostet das Doppelte. Versicherungen, Dienstleistungen und Stundenlöhne werden teurer und teurer. Die Baukosten für Betriebsgebäude haben sich vervielfacht.

Mitte der 90er Jahre kostete ein Kuh-Platz in einem Stall für 40 Milchkühe rund 8000 DM, 2019 lagen diese Kosten bei einem Stall für 70 - 80 Kühe bei 12000 € bis 13000 €, bei „kleineren“ Ställen entsprechend höher. Dies liegt auch daran, dass in den neuen Ställen mehr Platz für die Tiere und - wie von der Gesellschaft gefordert – auch mehr Tierwohl geboten wird. Das ist auch gut so, aber eine Entlohnung für diesen Mehrwert und zur Deckung zusätzlicher Kosten bleibt leider aus.

Zusätzliche Belastungen durch Auflagen

Neben der allgemeinen Teuerung kommt dazu, dass es immer mehr Auflagen durch Verordnungen gibt. Durch längere Sperrfristen für Düngerausbringung müssen größere Lagerkapazitäten vorgehalten bzw. errichtet werden. Die Ausbringung der Düngemenge je Hektar wird begrenzt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, es bedeutet aber, dass eine weitere Steigerung der Produktion nur mit mehr Fläche möglich ist. Die neue Düngeverordnung sieht vor, dass Gülle in einigen Jahren nur noch mit Schleppschuh- oder Schlitzverfahren ausgebracht werden darf. Die Vorteile der neuen Verfahren sind minimale Geruchsbelastung und geringere Nährstoffverluste, da die Gülle im Gegensatz zur Breitverteilung direkt in Bodennähe aufgebracht wird. Beim Schleppschuhverfahren wird die Gülle streifenförmig auf die Grasnarbe aufgebracht und bei Niederschlägen in den Wurzelbereich abgespült. Die Schläuche hinter dem Güllefass werden mit Federstäben auf den Boden gedrückt und das Gras durch die Schuhe am Ende der Schläuche geteilt.

Nachteilig ist, dass die Gülle-Streifen bei ungünstiger Witterung auf dem Gras liegen bleiben und bei der Ernte zur Futterverschmutzung beitragen. Zudem wirkt ein Güllefass mit Schleppschuhverteiler noch größer und wuchtiger auf Personen außerhalb der Landwirtschaft.

Beim Schlitzverfahren schneidet eine Scheibe den Boden auf und drückt den Boden v-förmig auseinander. In den Schlitz wird die Gülle zwischen  1-5  cm tief eingebracht. Auch in den Fahrspuren kommt die Gülle dadurch sicher in den Boden. Die Ammoniakverluste sind im Vergleich zu den anderen Verfahren deutlich geringer. Positiv ist die gute Nährstoffausbeute, weil der Dünger direkt an die Wurzeln der Pflanze gebracht wird. Das Schlitzverfahren kann auf Grünland den Nachteil haben, dass der Boden offen bleibt und sich dadurch Unkräuter an den Rändern ansiedeln können. Die Technik ist zudem teuer, schwer und hat einen eklatant höheren Kraftbedarf als die herkömmliche Technik.

Um weiterhin die Arbeit bei gleichem Personal bewältigen zu können werden zwangsläufig noch PS-stärkere Traktoren angeschafft werden müssen. Die Landwirte müssen dann entscheiden, ob sich die Investition von teilweise über 100.000 Euro in ein neues Güllefass rentiert oder ob es günstiger wäre, einen Lohnunternehmer zu beauftragen.

Entwicklung der Milchproduktion in der Gemeinde

Die Zahlen gelten jeweils für die gesamte Gemeinde (Uffing + Schöffau) für die Betriebe, die die Milchleistungsprüfung durchführen.

1989 hatte ein Betrieb durchschnittlich 33,3 Kühe bei einer Leistung von 5433 l/ Jahr, 2018 waren es 44,3 Kühe mit einer Leistung von 8003 l/Jahr.

Damit hat sich die Milch-Produktion pro Betrieb in 29 Jahren knapp verdoppelt, dies entspricht einem Plus von 3,3 % pro Jahr. Bei stagnierendem Milchpreis und gleichzeitiger allgemeinen Teuerung ist diese Steigerung einfach notwendig.

In einer Tageszeitung war am 25. Januar unter der Rubrik „Die gute Nachricht“ zu lesen, dass die Arbeitnehmerentgelte preisbereinigt seit der Jahrtausendwende um 25,9 % gestiegen sind, die Einkommen aus Unternehmen und Vermögen sind im gleichen Zeitraum um 27,4 % gestiegen.

Möchte ein Landwirt an dieser allgemeinen Entwicklung teilhaben, kann er das nach wie vor nur erreichen, indem er mehr produziert oder höhere Preise für seine Produkte erhält und den Betrieb auf möglichst viele Standbeine stellt. Einige Betriebe vermarkten daher ab Hof Milch, Eier, Käse und Fleisch. Andere Landwirte bieten Ferien auf dem Bauernhof an oder erzeugen Energie in Biogas- oder Photovoltaikanlagen. Biologisch wirtschaftende Betriebe erhalten höhere Erzeugerpreise, allerding ist die Umstellung von konventionell auf biologisch wirtschaftende Betriebsführung nicht ohne Weiteres möglich. Leider gilt „Wachsen oder Weichen“ nach wie vor. Auch die Landwirte hoffen, dass es auch mal genug ist und sich die Erzeugerpreise annähernd analog zu anderen Preisen entwickeln. Bei anderen Berufsgruppen ist eine Einkommenssteigerung selbstverständlich, in der Landwirtschaft offensichtlich nicht.

Miteinander geht es leichter

Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft und den Veränderungen der Lebensmittelversorgung haben immer weniger Bürgerinnen und Bürger einen direkten Bezug zur Landwirtschaft. Häufig führt dabei Unwissenheit oder Ungeduld zu Missverständnissen oder Ärger. Die dreimonatige Sperrfrist der Düngeverordnung hat zum Beispiel zur Folge gehabt, dass alle Landwirte fast gleichzeitig am 1. März große Mengen Gülle ausbringen. Dies führt häufig zu Unverständnis bei den Dorfbewohnern, die dann vielleicht gerade mit dem Radl durch unsere schöne Landschaft fahren und den große Maschinen ausweichen müssen. Zudem stinkt es gewaltig. Da die Lagerkapazität für Gülle auf den Betrieben begrenzt ist, müssen die Landwirte zeitnah das „flüssiges Gold“ auf die Flächen auftragen. Gülle ist ein kostbarer Wirtschaftsdünger, gehört zum wirtschaftlichen Kreislauf und ist wichtig für die Bodenfruchtbarkeit, da sie die Nährstoffe für die Pflanzen zurückbringt.

Die AG Dialog Landwirtschaft hat die Landwirte in der Gemeinde befragt, was sie am meisten bewegt. Alle wünschen sich mehr gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis für ihre Arbeit. Wir alle können einen Beitrag dazu leisten, dass sich die landwirtschaftlichen Betriebe in Uffing und der Schöffau zukunftsfähig entwickeln können. Gute Zukunftsaussichten für die Betriebe sind für uns alle wichtig, da die Landwirte unsere Ernährung sichern. Ein erster wichtiger Schritt ist „Miteinander reden“ und Rücksichtnahme. Mit Unterstützung der Gemeinde haben wir daher die Piktogramme „Rücksicht macht Wege breit“ auf die Straßen gebracht. Die ersten positiven Rückmeldungen zeigen, dass sie das Miteinander auf den Wegen verbessert haben und alle davon profitieren. Sprechen Sie uns oder die Landwirte direkt an, wenn Sie Fragen oder Anregungen haben.

Ihre Arbeitsgemeinschaft Dialog Landwirtschaft: Robert Fischer, Michael Gretschmann, Michaela Mück, Regina Schuster, Christiane Pfanstiel und Monika von Haaren.

E-Mail-Adresse dialog.landwirtschaft@ uffing.de oder telefonisch im Rathaus unter 08846 9202-13. 


Einzelne Zitate von Landwirten aus Uffing und Schöffau:

  • Die Menschen meinen oft, Gülle ist ein Abfallprodukt aus der Landwirtschaft. Für uns ist es aber „flüssiges Gold“, es gehört zum wirtschaftlichen Kreislauf und ist wichtig für den Boden, um Nährstoffe zurückzubringen.
  • Durch den Generationenübergang haben viele keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft und verkaufen die Flächen, wodurch für den Pächter die Fläche wegfällt. Hier gibt es keinen Kündigungsschutz wie beim Wohnen.
  • Allgemein parken viele so, dass ein Auto vielleicht noch durchkommt, sie denken gar nicht darüber nach, dass auch größere Fahrzeuge kommen könnten.
  • Die dreimonatige Sperrfrist der Düngeverordnung hat zur Folge, dass alle Landwirte gleichzeitig am 1. März große Mengen Gülle ausbringen. Diese Konzentration fällt dann negativ auf.

VORGEMERKT!
TAG DES OFFENEN HOFES

Familie Holderied
öffnet am
Samstag, 09. April 2022,
die Stalltüren in der Kirchtalstraße!

Sobald das detaillierte Programm steht, wird es über Aushänge und auf hoagart.de bekannt gemacht. 


 (veröffentlicht in Hoagart 02 | Januar 2022, siehe unten, Seite 12 bis 15)

 

Januar 2022

Plant for the Planet

 

Redaktion (ehrenamtlich)
Sascha Chowdhury (Redaktion Hoagart)
Redaktionsteam: Sascha Chowdhury (Redaktionsleitung, Bürger, Gewerbe, Kommune), Franz Huber (Kunst und Kultur), Reinhard Mook (Natur und Philosophie)

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