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Gaby Dinsenbacher - Die „Inselbacherin“

Gaby Dinsenbacher - Die „Inselbacherin“

Gaby Dinsenbacher - Die „Inselbacherin“

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Bürger | veröffentlicht am: 30 Dezember 2023 | bearbeitet am: 30 Dezember 2023

„Im Sommer 1979 war ich zum ersten Mal in Uffing. Ich hab Freunde besucht und die hatten ein Kanu an der Ach liegen. 

Wir sind im Abendlicht stromaufwärts durchs hohe Schilf bis zum See und rüber zur Insel Wörth gefahren. Da war sofort der Wunsch da, irgendwo hier in der Nähe ein kleines Häuschen zu finden!

So einfach war es aber auch damals schon nicht. Zwei Jahre später ist endlich ein Anruf gekommen, dass hinter der Humplsag an der Ach ein kleines Holzhaus frei geworden ist!
Und das haben wir gemietet. Es war am Anfang eine ganz einfache Hütte mit Dielenbrettern auf dem blanken Lehmboden.
Und das ist für die nächsten zehn Jahre unser Wochenend- und Ferienhäuschen geworden, während wir aber ansonsten in München gewohnt haben.

Damals war Uffing noch viel mehr Dorf als heute. Und wir waren außerhalb und gehörten sowieso nicht richtig dazu.
„Des is die Fernsehgabi, die wohnt da draußen aufm Land“, so hat es die Frau Sailer in der Molkerei berichtet. Und die Frau Sailer hat damals eine Dorfzeitung ersetzt ...
Inzwischen hatten wir zwei Kinder, Anna und Elias. Von klein auf haben sie unser Hexenhäuschen am Bach geliebt, da haben sie mit den beiden Nachbarskindern Lukas und Susanna gespielt und kein Tag ist vergangen ohne einen Stallbesuch beim Hartmann Seppi, bei Gerolds oder beim Biehler Sepp. Das waren die Lieblingsbauern, wo die Kinder auch immer willkommen waren.

Als ich mich von meinem Mann trennte, haben die Kinder gesagt: „Mami, alles, nur Uffing nicht hergeben!“
Da hab ich ein halbes Jahr lang jede Nacht überlegt, wie ich das schaffen kann, meinen Arbeitsplatz als Filmemacherin beim Bayerischen Fernsehen im Norden von München zu haben und zwei kleine Kinder in Uffing.

Irgendwie ist es dann halt gegangen! Mit der Hilfe von anderen Eltern, die meine Kinder von der Schule oder vom Kindergarten mit heimgenommen haben, bis ich sie dort abholen konnte. Oft haben wir uns im Sommer auch abends im Biergarten im Alpenblick getroffen, wenn ich vom Filmen zurückgekommen bin.
Dafür sind dann die anderen Kinder an den Wochenenden bei uns gewesen oder wollten manchmal in den Ferien ganz bei uns wohnen. Das war halt ein richtiger Abenteuerspielplatz am Bach, im Wald und mit den Tieren, die im Lauf der Zeit bei uns eingezogen sind. Ich hab bis dahin selber nie Tiere gehabt. Aber mein Sohn hat unser Haus allmählich in einen Minibauernhof verwandelt. Nach und nach waren da Kaninchen, Enten, Hühner, Gänse, Ziegen, Schafe, und ganz zuletzt auch Hochlandrinder. Elias ist nach der Schule immer sofort zu seinen Tieren gegangen, ist stundenlang zwischen ihnen auf der Wiese gesessen und hat sie beobachtet.

Wir hatten keinen Fernseher. Das fanden immer alle komisch, wo ich doch selber fürs Fernsehen gearbeitet hab. Aber ich wollte nicht, dass die Kinder in meiner Abwesenheit unkontrolliert vor dem Bildschirm sitzen, anstatt dass sie ihre Zeit draußen in der Natur verbringen, Bücher lesen, sich selber Kasperltheaterstücke ausdenken und Musik machen. Mein Glück war allerdings, dass das grad noch vor der Zeit war, wo jedes Kind ein Handy oder Tablet hat. Sonst hätte ich wahrscheinlich keine Chance gehabt, wie ich das hätte verhindern können.

Unser Haus und der Garten sind im Lauf der Jahre immer schöner geworden. Alles Geld der Filme und viel Arbeit ist da reingeflossen. Meine Kinder, Freunde und Nachbarn haben mich dabei immer sehr unterstützt. Ich mag das Haus vor allem deswegen so gern, weil man von fast allen Fenstern auf das Wasser schaut. Es ist ja eigentlich eine Bachinsel. Man kommt über eine Brücke zu uns. Und schon das finde ich toll. Ich heiße ja Dinsenbacher und ein Freund nennt mich ‚Inselbacherin’.

Ich bin gern die Inselbacherin. Außer bei Hochwasser. Dann wird aus dem kleinen Plätscherbach ein Fluss, der ums Haus tobt. Da muss man manchmal alle zwei Stunden in der Nacht aufstehen und schauen, ob das Wasser so steigt, dass wir die Feuerwehr rufen müssen. Und die Uffinger Feuerwehr hat uns schon einige Male mit Sandsackaktionen gerettet!

Meine Arbeit mit den Filmen hab ich wirklich geliebt. Es war halt nur so schwer, das alles mit den Kindern unter einen Hut zu bringen. Ich hab immer geschaut, dass ich mindestens einen Film im Jahr hier in der Gegend machen kann, damit ich da wenigstens in der Nähe der Kinder bleiben konnte. Also habe ich ‚Gabriele Münter und Kandinky in Murnau’ gemacht oder ‚Winter im Murnauer Land’, ‚Villen für die Sommerfrische/der Architekt Emanuel von Seidl’, ein Porträt von Birgitta Wolf, zwei Karwendelfilme usw.

Für andere Filme musste ich ja oft wochenlang in Italien oder sonst wo sein. Diese Drehzeiten hab ich später in die Schulferien gelegt, sodass die Kinder da entweder mit ihrem Vater verreisen konnten oder ich hab sie zum Filmen mitgenommen. Das war ja auch spannend für die Kinder, wenn sie dabei sein konnten und manchmal auch in kleineren Szenen selber gefilmt wurden.

Jetzt bin ich seit ein paar Jahren in Rente und hab endlich viel Zeit für mich und den Garten, zum Radlfahrn und zum Singen in verschiedenen Chören. Und vor allem bin ich so froh, dass ich für mein Enkelkind die Ruhe und Geduld habe, die ich für meine Kinder oft nicht hatte, als sie so klein waren.

Aber natürlich vermisse ich schon auch die Arbeit mit meinen Filmteams und die engen Kontakte mit den Menschen, die ich porträtiert habe. Da ist man sich ja oft so nahe gekommen und die Freundschaften mit meinen ‚Filmkindern’ sind fast alle geblieben.
Es waren 40 ‚vollgestopfte’ Jahre mit diesem Beruf und den Reisen.
Es gibt so viele schöne Plätze, an denen ich war. Aber nichts ist schöner als unsere Gegend hier. Und dass ich hier wohnen kann und den Staffelsee und die Berge immer noch jeden Tag als so schön empfinden kann, dafür bin ich einfach dankbar.“

Sascha Chowdhury, nach einem Interview mit Gabriele Dinsenbacher am 15. November 2023

(veröffentlicht in Hoagart 10 | Januar 2024, siehe unten, Seite 19)

 

Januar 2024

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