Von den Wurzeln bis zur Krone
Jedes neue Kindergartenjahr ist eingerahmt vom Loslassen und Aufnehmen.
Ein Nachhallen der Abschlusswochen des Vergangenen und ein Gespanntsein auf die Eingewöhnungswochen der neuen Waldkinder. In den Wochen vor den Sommerferien durften die Königskinder noch einen Ausflug mit den Riegseer Alpakas genießen, farbenfrohe T-Shirts wurden gebatikt, ein kleines Theaterstück wurde geprobt und dutzende Waldofenpizzas belegt und aufgefuttert. Ein eingespieltes Team ging so den Sommerferien entgegen. Am letzten Waldtag übernachteten die Walderzieher mit den Königskindern um die Feuerstelle versammelt im Wald und verabschiedeten sich auf diese Weise von der gemeinsamen Waldkindergartenzeit.
Im vergangenen Juli verließen acht Wurzelkinder, mit gehäkelten Kronen gekrönt, den Waldkindergarten Uffing. Von insgesamt sechzehn Wurzelkindern machte sich also die Hälfe auf, nach den Sommerferien anstatt des Waldlebens nun das Schulleben zu entdecken. Mit dem Knistern des Lagerfeuers im Ohr, dem Duft der Bäume in der Nase und der Walderde unter den Fingernägeln, verteilen sie sich auf die Grundschule Uffing, die Montessori-Schule in Peißenberg und die Freie Waldorfschule in Huglfing. Ihre Wurzeln aber stecken tief im Wald.
Im Wald, wo weiterhin Giftsuppe gekocht und Lavaerde im Steinbruch abgebaut wird. Wo kreative Häuschen gebaut werden, um sich ein Päuschen zu gönnen. Wo geschreinert und gesungen, gebazelt und gemalt wird. Wo Detektive sich tarnen und das Baumhaus zur Waldbühne wird. Wo jeden Freitag Popcorn überm Feuer gemacht und danach beim Freilichtkino gesnackt wird. Im Wald, wo so viele Erinnerungen verwurzelt sind und haltgebend den Boden der weiteren Wege bereiten.
Wenn acht große Wurzelkinder gehen, wird es erstmal ziemlich licht im Wald. Die Kleinen werden zu den Großen und die Gruppe verändert sich spürbar. Diesen Herbst kommen neun kleine Wurzelkinder in den Waldkindergarten Uffing. Wie junge Bäume, noch nicht festgewurzelt und in einer noch fremden Umgebung, brauchen sie viel Fürsorge und Zeit. Die Eingewöhnungszeit ist jedes Jahr aufs Neue eine besonders sensible Phase im Waldkindergarten. Ohne die Großen aus den Augen zu verlieren, gilt es dieses Jahr neun kleinen Wurzelkindern die Regeln im Wald nahezulegen und den Raum zu halten, sollten Heimweh und Trennungsschmerz zu groß sein. Zumal der Herbst eine Zeit im Jahr ist, in der man ohnehin lieber kuschelnd im Bett liegen bleibt. Eine sehr fordernde Zeit für die Betreuer im Waldkindergarten Uffing sowie für die Eltern der einzugewöhnenden Kinder. Doch mit Geduld und Wärme, vielleicht nicht allzu viel Sturm und Kälte, können die kleinen Wurzelkinder ihr neues Vormittagsdomizil nach und nach kennenlernen, sich ausprobieren, sich anfreunden, mitsingen und die zahlreichen Schätze des Waldes entdecken, sodass sie geborgen in die winterliche Jahreszeit toben können.
Für physische Wärme und Geborgenheit sorgt diesen Winter unser neuer Jurtenfilz, den wir mit großen und kleinen Spenden anschaffen konnten. Wir freuen uns sehr über all die Unterstützungen!
Vom kleinen Samen bis zum strahlenden Erblühen. Es ist ein ewiger Kreis. Ein stetiges Loslassen und Aufnehmen, und so bleibt alles in Bewegung. Wir freuen uns über all die neuen Familien, die ihre Kinder in die Obhut des Waldkindergartens geben, damit diese wiederum ihre Wurzeln schlagen können.
Christina Taffertshofer
Weitere Infos unter www.wurzelkinder-uffing.de
(veröffentlicht in Hoagart 09 | Oktober 2023, siehe unten, Seite 23)
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Oktober 2023
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