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Erika Klar – „Ein Leben auf der Straße“

Erika Klar – „Ein Leben auf der Straße“

Erika Klar – „Ein Leben auf der Straße“

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Bürger | veröffentlicht am: 29 März 2024 | bearbeitet am: 29 März 2024

Also, ich bin die Erika, geborene Kraus und verheiratete Klar. Ich wurde am 12. Mai 1937 als drittes Kind der Eltern Magdalena und Lorenz Kraus in München geboren. Nach acht Tagen kam ich dann nach Uffing. Und seit der Zeit lebe ich in Uffing. 

Meine Schwester Elisabeth war die Erstgeborene. Sie kam erst sieben Jahre nach der Heirat meiner Eltern 1930 zur Welt und ist dann bereits mit zweieinviertel Jahren an Gehirnhautentzündung verstorben. 1934 kam mein Bruder Lorenz Kraus zur Welt. Und nach drei Jahren, 1937, kam die Erika zur Welt. Wir hatten eine lockere, für die damalige Zeit weltoffene Erziehung und wussten, was man tun darf und was man nicht tun darf. In der Schule ging es uns gut.
Mich hat es immer sehr interessiert, was sich in Uffing zur damaligen Zeit getan hat. Mein Leben war mehr auf der Straße. Wenn im Ort etwas los war, war die Erika auch dabei. Insbesondere wenn Hochzeiten waren, die damals beim Bärtl im Gasthof zur Post gefeiert wurden. Da konnte man bei den Fenstern reinschauen und da war ich auch dabei.

Was mich sehr geprägt hat, ist das Singen, das ich schon als Kind gut konnte.
Bei uns beim Kraus im Nebenhaus wohnte eine Familie Steigenberger, die auch künstlerisch sehr interessiert war. Die Steigenbergers hatten mitbekommen, dass ich gut singen kann, und haben mir als Kind mit vier Jahren schon das Lied "Du hast Glück bei den Frau'n, Bel Ami" gelernt. Der Liedtext war absolut nicht geeignet für ein Kind, aber ich habe das Lied trotzdem gesungen.

1943 gab es unter anderem eine Soldatenhochzeit. Und die Frau Steigenberger, die Bedienung im Gasthaus zur Post war, wusste ja, dass ich singen kann. Und ich, neugierig wie ich war, war wieder mal am Fenster gestanden, angezogen, wie damals üblich, mit einem Schurz, barfuß. Und die Frau Steigenberger hat gesagt: „Erika, geh rein, magst Du den Gästen nicht das Lied vorsingen?“

Und ohne Hemmungen bin ich reingegangen und habe denen das Lied vorgesungen. Ich kam dann stolz nach Hause mit einem Schurz voller Geld, das die Gäste auf der Hochzeit für mich gesammelt hatten. Jedoch meine Eltern, speziell meine Mutter, waren entsetzt. Aber ich habe dann zu meiner Mutter gesagt: „Schimpf nicht, seh was ich heimgebracht hab!“ Und schon bald war wieder alles gut. So war das in meiner Kindheit. Und immer, wenn was los war, war die Erika auf der Straße.

Ich bin zu Hause in der Landwirtschaft aufgewachsen. Damals, kein Vergleich zum heutigen Besitz von Kraus, hatten wir 18 Kühe. Und meine Mutter war immer schon etwas kränklich. Und deswegen war es für mich selbstverständlich, dass ich zu Hause mithelfen muss.

Meine Mutter hatte einen landwirtschaftlichen Lehrbetrieb und hat insgesamt 21 Lehrlinge ausgebildet. Auch das hat mich geprägt, weil man so viele Menschen, Töchter aus vielen Familien und gesellschaftlichen Schichten kennengelernt hat, die damals bei uns, bei meiner Mutter, die Landwirtschaftslehre gemacht haben und dann zum Großteil Landwirtschaftslehrerinnen geworden sind. Ich selbst hab dann auch eine landwirtschaftliche Lehre in Jenhausen, einem Ortsteil von Seeshaupt, gemacht und danach noch ein halbes Jahr im Winter die Landwirtschaftsschule in Weilheim besucht.

Inzwischen schon 22 Jahre alt, bin ich dann für zwei Jahre in den Haushalt der Bäckerei, damals Maier-Nett, gekommen. Das letzte halbe Jahr war ich auch im Verkauf mit tätig.

Inzwischen hatte ich meinen Mann Joseph Klar kennengelernt. Geheiratet haben wir am 25. November 1963. Drei Tage zuvor wurde der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Dallas ermordet. Und wir durften an der Hochzeit weder eine Musik spielen noch irgendwie tanzen. Es war aber gar nicht so traurig. Gefeiert haben wir in der Post mit 70 Gästen. Damals gab es noch keine solch großen Hochzeiten wie heute. Auch war es damals bei Hochzeiten üblich, dass die Gäste ein Mahlgeld bezahlen mussten. Das haben wir jedoch nicht gewollt.

Mein Mann ist Maurer und war beim ehemaligen Baugeschäft Buchner angestellt. Zu der damaligen Zeit war das Baugeschäft Buchner das Baugeschäft in Uffing. Und eben dadurch konnte er mit seinem Bruder Paul unser Haus hier am Auweg bauen. Dann kam 1964 der erste Sohn Franz zur Welt, 1965 Sohn Thomas und 1968 die Tochter Elisabeth. Alle sind in Uffing zur Schule gegangen.

Mein Mann kommt aus Schlesien. Die Familie Klar, also meine Schwiegermutter Maria Klar, ist mit fünf Kindern, ohne ihren Mann, der in der Gefangenschaft war, damals war ja noch Krieg, im April 1945 nach Uffing gekommen und sie wurden dann verteilt. Wie es zur damaligen Zeit üblich war, sind sie dann beim Josef Stredele an der Ach untergekommen und konnten dort zweieinhalb Jahre wohnen, bis dann der Vater aus der Kriegsgefangenschaft heimgekommen ist.

Wie ich bereits erwähnt habe, habe ich schon immer gerne gesungen. Und ich habe dann im Kinderchor, den der Herr Lehrer Leuchtenmüller gegründet hat, schon mit neun Jahren mitsingen dürfen. Und dann ist man übergangsmäßig gleichzeitig zum großen Chor gekommen. Und seit der Zeit singe ich mit, darf ich mitsingen, auch heute noch in den Chorproben von Hubert Schwingshandl.

Auf alle Fälle macht mir das Chorsingen auch weiterhin Spaß. Erstens diese nette Gemeinschaft, und zweitens auch noch zu singen.

Und, weil ich immer schon gern Leute nachgemacht habe, habe ich dann, bis zu meiner Heirat, auch in Theaterstücken des Trachtenvereins gespielt. Und, was ich noch dazu sagen muss, wir haben damals sogar den Jedermann gespielt, und wohl gar nicht schlecht, wie die Leute gesagt haben. Die Theateraufführungen in Uffing waren damals nicht in der Post, sondern im Alten Wirt, als es den noch gegeben hat.

1959 haben sich aus den Uffinger Dirndln, von denen ich eine war, die Uffinger Sängerinnen, zunächst als Zweigesang, gegründet. 1970 ging es dann als Dreigesang weiter.

Singen kann ich noch heute, aber zum Auftritt würde es jetzt nicht mehr langen. Wir haben sehr viele Hochzeiten zu der damaligen Zeit gesungen. Und wir haben schöne Zeiten erlebt mit der Singerei. Über glückliche Verbindungen kamen wir sogar bis in die damalige Bundeshauptstadt nach Bonn und konnten dort als ein besonderes Erlebnis ein Adventsingen in der Bayerischen Landesvertretung mitgestalten.

Wenn wir auf bayerischen Hochzeiten oder Beerdigungen gesungen haben, damals um 1970, hat jede von uns um die 30 Mark gekriegt.

Wir haben über 300 Lieder in unserem Repertoire gehabt. Und ich war noch nie gut darin, irgendetwas aufzuschreiben. Das meiste davon hatte ich daher damals im Kopf.

Bis auf das eine Lehrjahr und die zwei Jahre bei der Familie Maier-Nett war ich Zeit meines Lebens gern Hausfrau. Als nur Hausfrau habe ich mich nie irgendwie degradiert gefühlt. Ich war auch immer ausgefüllt durch meine Kinder, Haus, Garten, Hobbies.

Haushalt damals war nicht so wie heute. Als wir 1963 geheiratet haben, hatten wir keine Waschmaschine. Windeln wurden am Ofen ausgekocht.

Ich bin keine sportliche Person, aber das Wasser hat mir scheinbar schon immer getaugt und ich habe im Wasser auch nie Ängste gehabt. Früher als Kind, beim Kraus aufgewachsen mitten im Dorf, gab es ja dieses Sägewerk Pointner. Und da sind wir Kinder werktags zum Baden in die Ach runtergegangen.

Radlfahren und Schwimmen, das war immer mein Sport. Sonst habe ich eigentlich keinen Sport betrieben, außer Arbeiten.
Wenn meine Familie und auch ich einigermaßen gesund bleiben, bin ich voll zufrieden. Worüber ich sehr froh bin, ist erstens, dass ich auch glauben kann und beten. Und zweitens, dass ich sehr gute Leute um mich herumhabe, in der Nachbarschaft, wie auch sonst in Uffing. Ich habe keinerlei Probleme mit Menschen und ich nehme jeden Menschen so wie er ist. Es wird sicherlich auch Leute geben, die mich nicht mögen, weil ich ein bisschen vorlaut bin. Ich kann mich scheinbar auch nicht mehr ändern. Jedenfalls bin ich so froh, dass ich hier leben kann und dass ich diese Menschen um mich rum habe.

Sascha Chowdhury, nach einem Interview mit Erika Klar am 6. Februar 2024

(veröffentlicht in Hoagart 11 | April 2024, siehe unten, Seite 18)

 

April 2024

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