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Richard Jais – mit Leib und Seele Aichala

Richard Jais – mit Leib und Seele Aichala

Richard Jais – mit Leib und Seele Aichala

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Bürger | veröffentlicht am: 31 Dezember 2024 | bearbeitet am: 31 Dezember 2024

„I glaub, da kimmt da Papa!“, das waren die Worte meiner Mutter, als sie aus dem Küchenfenster des Aichalehofs die heutige Seestraße runterschaute, die zu dieser Zeit noch ein Feldweg war. 

Ich war damals 5 Jahre alt und sah meinen Vater an dem Tag, als dieser Anfang 1946 aus dem Krieg zurückkam, das erste Mal. Diesen Moment hatte ich mir so sehr herbeigewünscht und die Erinnerung daran bewegt mich heute noch.

Mein Papa hat von seiner Mutter, einer führenden Person hier auf dem Einödhof, gelernt. Auch mein Papa hat immer „o‘gschafft“ und da hat man auch nicht dagegenreden dürfen. Und wenn du dich daran gehalten hast, hast du den besten Papa der Welt gehabt.

Als kleiner Bua war mein 11 Monate älterer Bruder Gottfried mein Vorbild. Nach dem Unterricht in der Volksschule Uffing hatten wir eine Dreiviertelstunde Fußweg zurück zum Hof, auf dem wir immer mithelfen mussten. Als Kleinerer der Brüder bestand meine Arbeit unter anderem darin den damals acht Kühen, den Rössern und Säuen das Futter zu geben, Milch mit der Zentrifuge durchzutreiben, Geschirr abzuspülen und die Treppen zu kehren.

Als hier alles noch bäuerlicher war, hat man zu uns Kindern Gottfried, Theo, Marianne und mir nie Jais gesagt, sondern immer nur „Aichala“.

Mit 13 Jahren habe ich dann, als Bauernbua ohne Ahnung, mit der Ausbildung zum Schlosser bei der Bahn in München-Neuaubing angefangen. Die Stelle hatte mir mein Papa über einen Bekannten aus Huglfing besorgt.

Die Mutter meiner Mutter, meine Oma, hat eine kleine Landwirtschaft im Badeort Kohlgrub gehabt, in der ich in den Schulferien auch oft ausgeholfen habe.

Dort, bei meiner Oma, hat mich die Familie Sollinger, Sommerfrischler aus München, als tüchtigen Burschen kennengelernt. So kam es, dass ich im Haus dieser Familie, die in München in der Nähe des Hirschgartens wohnte, während meiner Ausbildung ein wenig schönes Zimmer zum Hof hatte. Bei Schweißen, Drehen und Schmieden war ich in der Lehre schnell der Beste, wohl auch, weil ich das Arbeiten mit den Händen gewohnt war. Aber gefallen hat mir diese Arbeit nicht.

Später, im Jahr 1959, habe ich mich als Dampflokomotivführer beworben. Nach bestandenen Prüfungen musste ich auf der Lokomotive anfangs als Heizer arbeiten und Rangierarbeiten in Allach und Ludwigsfeld machen.

Insgesamt habe ich so seit Beginn der Schlosserlehre 10 Jahre in München bei der Familie Sollinger gewohnt und war nur an den Wochenenden am Hof in Uffing.

Dann bin ich nach Garmisch versetzt worden, wo ich, bislang nur Dampflokomotivführer, Kurse zum Führen von E-Loks und Dieselloks gemacht habe.

Da ich zu dieser Zeit wieder auf dem Aichalehof gewohnt habe, bin ich damals als Lokomotivführer die Strecke Murnau-Oberammergau gefahren. In der Zwischenzeit hatte ich von meiner Oma und meinem Opa einen Bauplatz in Bad Kohlgrub bekommen und darauf mein Haus gebaut. Meinen Großeltern hatte ich dafür versprochen, solange diese leben in Kohlgrub zu bleiben.

Mein Bruder Gottfried hätte den Hof in Uffing, auf dem er die Arbeit gemacht hat, erben sollen. Bei Baumfällarbeiten an einer Linde, hier auf dem Aichalehof, ist mein Bruder jedoch schwer verunglückt und sechs Wochen später gestorben. Durch den Tod meines Bruders fehlte der Hoferbe am Aichalehof.

Mein Lebensmittelpunkt war seinerzeit in Bad Kohlgrub, mit meiner ersten Frau und zwei Kindern, zwei Mäderln. Und trotz meines Versprechens gegenüber meinen dort lebenden Großeltern, hat mich mein Vater in Uffing als neuen Hoferben eingesetzt.

Meine Schwester Marianne war zu dieser Zeit bereits verheiratet und hat zusammen mit ihrem Mann am Campingplatz Aichalehof mitgeholfen. Wobei die Vermietung der Campingplätze allein die Aufgabe meines Papas war und auch sonst sein Leitsatz galt: „Am Aichala bin i der Chef!“.

Meine erste Ehe wurde 1973 geschieden. Mit meiner heutigen zweiten Frau Rosemarie, die mir immer schon gefallen hat, und die auch aus einem Bauernhof stammt, bin ich nun seit 42 Jahren verheiratet. Und, trotz großem Altersunterschied, verstehen wir uns von Anfang an bis heute.

1987 ist mein Papa überraschend gestorben. Und entgegen seinen Beteuerungen hatte er den Hof zuvor nicht an mich übergeben.

Zusammen mit meiner Mutter Maria als Alleinerbin, haben meine Schwester Marianne, mein Bruder Theo und ich uns darauf geeinigt, den Aichalehof zusammenzuhalten und miteinander zu bewirtschaften. Und das ist uns, auch nachdem Theo 1996 gestorben ist, bis zum heutigen Tag gelungen.

Meinen Anteil am Campingplatz und die Landwirtschaft habe ich vor vier Jahren an meine Tochter Marie-Theres übergeben. Die Rinderhaltung, zuletzt mit sechs Rindern, haben wir vor zwei Jahren eingestellt. Offiziell bin ich zwar im Ruhestand, aber am Aichalehof gibt es für mich immer was zu tun. Und das ist auch gut so.

Ein Teil der Fläche, die heute den Aichalehof ausmacht, wurde in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren hinzugekauft. Den damaligen Eigentümern aus Seehausen und Rieden war der Weg mit ihren Ochsen in Booten über den See auf die Weiden irgendwann zu mühselig und zeitaufwändig. Mein Großvater, hat ihnen die Grundstücke dann abgekauft.

Das Geld zum Kauf der Grundstücke stammte aus eigener Arbeit, hauptsächlich aus dem Verkauf von Butter und Rahm, die am Hof mit der eigenen Milchzentrifuge hergestellt und an Vermieter von Fremdenzimmern in Murnau verkauft wurden. Ab und zu kam auch Geld aus dem Verkauf von Viechern dazu, mal ein Schaf oder eine Sau. Geld von der Bank gab es zu dieser Zeit nur für wenige, nicht für uns.

Meine Oma war auch sehr sparsam. Nach dem Krieg waren Schuhe nur schwer zu bekommen und teuer und der Fußweg nach Uffing sehr schlecht. So ist meine Oma oft mit dem Boot nach Seehausen gerudert und hat dort eingekauft, einfach um an den Schuhen zu sparen.

Als der Zweite Weltkrieg aus war, sind die Leute anfangs, wie schon vor dem Krieg, seit Mitte der 1930er-Jahre, mit Motorrädern, dann auch mit Kleinwagen, an den See zum Zeltln gekommen und haben am Hof Milch, Eier und Stroh gekauft.

Nachdem die Sommerfrischler oft gefragt haben, wo man hier zeltln und in den See gehen kann, kam mein Papa auf die Idee, für jedes aufgestellte Zelt 50 Pfennig zu nehmen, Und so kam er eines Abends mit 20 Mark zurück auf den Hof. Der Grundstein für den Zeltplatz, den heutigen Campingplatz Aichalehof, damals Hausnummer 88 in Uffing, war damit gelegt.

Der Name Aichalehof leitet sich übrigens von der Ach ab und stammt bereits aus der Zeit meiner Großmutter.

Zu dieser Zeit kamen auch Leute, die dauerhaft bleiben und meinem Papa Land abkaufen wollten. Jedoch galt für meinen Papa immer: Aichale bleibt Aichale!

Da wir damals keine Reklame gemacht haben, sind die Leute anfangs nur auf die Empfehlung von Mund zu Mund gekommen, weil es hier „so schee“ ist. Und das gilt auch heute. Früher waren es hauptsächlich Zeltler, die länger blieben. Heute sind es Reisemobile, die meist zwei oder drei Nächte da sind.

In der Spitze, um 1990, gab es am Aichalehof 450 Dauercamper, aber auch viel Ärger mit den Genehmigungen durchs Amt. Heute sind es 300 und das ist in jeder Hinsicht besser so. Was uns wichtig ist, ist der gute und freundliche Umgang miteinander auf dem Campingplatz, egal ob Servus oder Guten Tag.

Für meine Familie wünsche ich mir, dass wir uns weiterhin gegenseitig vertrauen wie jetzt. Und ich möchte hier auf dem Aichalehof sein, solange ich noch zappeln kann.

Sascha Chowdhury, nach einem Gespräch mit Richard Jais am 19. November 2024

(veröffentlicht in Hoagart 14 | Januar 2025, siehe unten, Seite 16)

 

Januar 2025

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