Geboren wurde ich am 27. März 1965 in Gangkofen in Niederbayern. Dort wuchs ich in einem kleinen Weiler bei Eggenfelden zusammen mit vier Schwestern und zwei Brüdern auf.
Kurz bevor ich zur Schule kam, wollte mich ein kinderloses Ehepaar adoptieren, Pensionsgäste meiner Großmutter väterlicherseits, die mich in ihr Herz geschlossen hatten. Meine Oma meinte, unsere Eltern hätten ja noch genügend Kinder, aber meine Mutter hätte keines ihrer Kinder hergegeben.
Ab der fünften Klasse war ich immer wieder über Wochen bei den Großeltern mütterlicherseits, da meine Oma und mein Opa oft abwechselnd im Krankenhaus waren.
Unsere Familie konnte sich nicht viel leisten, deshalb habe ich schon während der Realschulzeit an Wochenenden und Feiertagen in einem Weinlokal als Hilfs-kraft gearbeitet, um mir etwas Geld zu verdienen.
Nach meinem Realschulabschluss machte ich im Berchtesgadener Land eine Ausbildung zur Hotelfachfrau im 4-Sterne-Hotel Alpenhof in Schönau am Königssee. Nach einem Gesellenjahr wechselte ich dann für drei Jahre als Bedienung zum Gasthof Neuwirt in Surheim bei Freilassing.
Über meinen Vater, der damals als Schäfer mit seiner Schafherde auf der Sommerweide auf dem Standorttruppenübungsplatz Murnau war, habe ich meinen Mann Adi, einen Zimmerer, kennengelernt. Er war damals noch verheiratet und hatte zwei kleine Buben, Florian und Konrad, aber seine Frau hatte sich bereits von ihm getrennt. Kurz nach sei-ner Scheidung haben wir dann im April 1988 geheiratet, auch weil ich schon schwanger war.
Die Schwiegerleute waren beide Heimatvertriebene. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, ist Adis Großvater mit seiner Familie als Baumeister auf das Gut der Familie von Schwarz hier nach Antlashalden gekommen. Die beiden Söhne der Familie von Schwarz waren im Zweiten Weltkrieg ausgeblieben und das männliche Familienoberhaupt war verschieden.
Nachdem die Gutsherrin Frau von Schwarz verstarb, hat die Erbengemeinschaft die Landwirtschaft und das Herrenhaus getrennt verkauft. Der Großvater hat die Landwirtschaft mit Milchvieh gekauft und meine Schwiegereltern haben sie im Nebenerwerb weitergeführt, bis die Milchwirtschaft aufgegeben wurde.
Als wir geheiratet haben, hat mein Mann bereits als Forstarbeiter gearbeitet, die Landwirtschaft weiter extensiv im Nebenerwerb bewirtschaftet und Kaltblutpferde und Pensionspferde gehalten. Nach und nach wurden die Pferde weniger und die Schafe mehr.
Mit Schafen hatte ich schon immer zu tun, weil mein Vater ja Schäfer war und ich in der Kindheit auch schon viel Schafe gehütet habe. Sie begleiten mich ein Le-ben lang, auch mein Urgroßvater hatte schon Schafe und sogar einen Schäfer angestellt.
1988 kam unsere Tochter Katharina auf die Welt. Und, nachdem wir nur ein Zimmer in der 80-qm-Wohnung unserer Schwiegereltern in Antlashalden hatten, hat uns meine Schwiegermutter dabei unterstützt, eine eigene Wohnung zu finden. Im Herbst 1989 wurde dann unser Sohn Leonhard geboren.
Die Wohnung in der Molkerei, heute nah & gut in der Hauptstraße, haben wir unter der Bedingung bekommen, dass ich im Laden mitarbeite. Die ersten Monate war das dann immer dienstags zur Lieferung. Später, 1992, noch unter der Frau Sailer, konnte ich dann halbtags arbeiten. Als Frau Sailer in Rente gegangen ist, wurde das Haus von der Molkereigenossenschaft, deren Mitglieder immer weniger wurden, Ende 1993 verkauft. Die neuen Eigentümer Wolfgang und Martina Mayr haben mich dann als Verkäuferin mit übernommen.
Noch bis August 1999 habe ich dort weitergearbeitet und bin dann zu Aldi nach Murnau gewechselt. Zudem habe ich über viele Jahre bis Anfang 2003 noch nebenbei als Bedienung gearbeitet, erst beim Neuwirt, dann im Café Jäger und zuletzt im Gasthof zur Post.
2019 haben wir an unseren gemeinsamen Sohn Leonhard den Hof übergeben, der nun auch noch biozertifiziert ist. Rund um den Hof gibt es rund zehn Hektar eigenes Grünland und Streuwiesen, und dazu noch Pachtflächen und Flächen zur Landschaftspflege.
Seither sind wir quasi „Austragler“. Früher haben die Jungen bei der Bewirtschaftung mitgeholfen und heute ist es halt umgekehrt. Man profitiert voneinander. Alles beruht auf Gegenseitigkeit, so war es auch mit meinen Schwiegereltern, als wir übernommen haben.
Mit der Hofübergabe sind viele finanzielle Verpflichtungen und der bürokratische Aufwand weggefallen, den man auch im Nebenerwerb mit einer Landwirtschaft hat.
Durch die schwere Arbeit beim Aldi habe ich über die Jahre ganz massive Rückenprobleme bekommen. Es hatte sich schon angebahnt, dass ich so nicht mehr lange weitermachen konnte. Die Arbeit habe ich aber immer gern gemacht und mich lange mit dem Laden identifiziert. Aber nach einem Generationenwechsel in der Führungsriege und Veränderungen in der Firmenphilosophie war es nach gut 19 Jahren für mich einfach Zeit zu gehen.
Über eine Freundin habe ich eine Stelle in der Kolping Akademie in Weilheim gefunden, in der jemand für die Berufsvorbereitung junger Menschen gesucht wurde. Seit März 2019 unterstütze ich so junge Leute, die nach der Schule keinen Ausbildungsplatz gefunden haben, eine für sie geeignete Stelle zu finden.
Meine Aufgabe ist u. a. dafür zu sorgen, dass die Bewerbungsunterlagen und der Lebenslauf passen. Wie formuliere ich eine Bewerbung? Was muss ich tun, um gut anzukommen? Wie und wo komme ich jetzt an die für mich geeignete Ausbildungsstelle? Auch bin ich im Kontakt mit den Firmen, die Praktika und Ausbildungen anbieten.
Leider wird es zunehmend schwieriger, an die Jugendlichen ranzukommen und sie zu motivieren. Und manchmal habe ich bei dieser Aufgabe auch Gedanken, hinzuschmeißen, oder zweifele an mei-nen Fähigkeiten. Aber meine Kollegen bestärken mich dann immer wieder in dem, was ich tue, und sie wollen mich wohl auch nicht loswerden.
Manche junge Erwachsene kennen mich vom Einkaufen aus meiner Zeit in der Molkerei, die damals bei mir schon irgendwelche Guttis oder anderes mit ihrem Taschengeld gekauft haben. Aber das ist doch schon sehr lange her.
Die jüngere Generation kennt mich seit 2020 wohl eher als dritte Bürgermeisterin.
Damals vor vier Jahren hieß es, die Michaela macht die dritte Bürgermeisterin und ich habe nicht nein gesagt; es fällt mir auch heute noch schwer, einfach nein zu sagen.
Seit 16 Jahren fordert auch meine Gemeinderatsarbeit ihre Zeit. Die Gemeinderatssitzungen alle vier Wochen beanspruchen, je nach Themen, mal zwei oder drei, manchmal auch vier Stunden Vorbereitungszeit, was auch für die Bauausschusssitzungen gilt.
Stolz bin ich auf meinen Beitrag zur Entstehung und Entwicklung der Nachbarschaftshilfe, an der ich beteiligt war. Mit den KoordinatorInnen bin ich regelmäßig im Austausch. Menschen zu finden, die sich engagieren und etwas ins Laufen bringen, das ist schon was.
Seit der Schulzeit habe ich mein eigenes Geld verdient, was irgendwo aber auch immer selbstverständlich war. Und bis auf das erste Dreivierteljahr nach der Geburt meiner Tochter Katharina bin ich immer arbeiten gegangen. Meine Kinder waren stets gut betreut von der Schwiegermutter, den Nachbarn oder von Freunden.
Auch heute noch bin ich jemand, der bei einer Arbeit bleibt und zum Abschluss bringt, was gemacht werden muss und achte dabei oft zu wenig auf meine körperlichen Grenzen.
Die viele Arbeit ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen, wodurch es in den Jahren auch in der Ehe zu Spannungen und Verwerfungen kam.
Aber eines hat mir diese zurückliegende, teils sehr schwierige Zeit deutlich gezeigt: Wenn du etwas in deinem Le-ben verändern willst, dann musst du das selbst verändern. Und nur so hat sich auch für mich wieder alles zum Guten zusammengefunden.
In den Phasen meines Lebens, wo es mir nicht so gut ging, hat mir die Teilnahme am heilsamen Singen sehr geholfen. Wenn es meine Zeit erlaubt, gehe ich immer wieder in das freie Singen, das auch hier am Ort angeboten wird.
Als religiös würde ich mich nicht bezeichnen, was insbesondere damit zu tun hat, dass sich ein Teil meiner Ursprungsfamilie intensiv einer Freikirche zugewandt hat. Aber ich glaube schon, dass es da irgendwas Größeres gibt, das über allem steht. Ich nenne es für mich das Universum.
Ich bin mir sicher, dass man mit einer positiven Einstellung, einem „bitte“ und „danke“, einfach mehr im Leben erreicht. Wenn ich meine Enkeltöchter in den Kindergarten fahre, bitten wir um einen schönen Parkplatz und meistens funktioniert es dann auch.
Zusammen mit den Kindern der angeheirateten Söhne habe ich jetzt zehn Enkelkinder, Nummer 11 ist unterwegs.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass meine Familie weiter so zusammenhält und jeder seinen Teil für ein gutes Miteinander einbringt. Dasselbe wünsche ich mir auch für unseren Ort. Schöffau macht es uns vor, dort ist der Zusammenhalt spürbarer, weil alles wohl auch kleiner, ursprünglicher und familiärer ist – und sich viele aktiv in die Gemeinschaft mit einbringen.
Sascha Chowdhury, nach einem Interview mit Michaela Mück am 13. Mai 2024
(veröffentlicht in Hoagart 12 | Juli 2024, siehe unten, Seite 20)
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