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Eine gelungene »Veränderung«

Eine gelungene »Veränderung«

Eine gelungene »Veränderung«

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Bürger | veröffentlicht am: 26 Juni 2021 | bearbeitet am: 03 Oktober 2021

»Übergeben heißt nimmer leben« ist ein geflügeltes Wort, das manche Bauern auch noch heute vor einer Übergabe zurückschrecken lässt. Hofübergaben sind nicht immer problemlos verlaufen. Schon im 19. Jahrhundert wurde die Hofübergabe mit »Austragsbriefen« notariell vor Zeugen beurkundet. Ein Beispiel dafür ist der hier gezeigte zwischen dem verwitweten Michael Schröter und seinem Sohn Mathias. Ganz genau wurde in allen Einzelheiten festgelegt, was dem Austragler zustand: Kost und Logis, zur Aufbesserung noch zusätzliche Lebensmittel und auch ein Taschengeld.

Auch heute läuft die Hofübergabe rechtlich ähnlich ab. Zentraler Bestandteil des landwirtschaftlichen Generationenvertrages ist die Hofübergabe, dieser Vertrag muss für seine Wirksamkeit notariell beurkundet werden.

Ein Hofübergabevertrag ist dann optimal, wenn er langfristig das Zusammenleben der Übergeber und der Übernehmer am Hof sichert. Das könnte ein Vertrag, der alle Eventualitäten regelt, was aber in der Realität schon auf Grund zukünftiger Änderungen der Umstände eigentlich nicht möglich ist. Deshalb entstehen immer wieder Streitigkeiten. Denn: So einig, wie bei Vertragsschluss sind sich die Vertragspartner später oft nicht mehr.

Wer hat nicht von Auseinandersetzungen und Problemen mit Geschwistern und den Übergebern nach der Hofübergabe gehört? »Wir sind dauernd die Bösen« klagt eine junge Bäuerin. Die anderen kommen nur und bedienen sich vom Hof, sie sind die Guten und alles was sie machen wird akzeptiert. So oder ähnliche Klagen von Hofübernehmern hört man immer wieder. Aber man muss genauer hinsehen: da sind die Übernehmer, welche tagein und tagaus mit den Eltern zusammen arbeiten und leben. Es ist ganz natürlich, dass es abweichende Vorstellungen von betrieblicher und familiärer Lebensvorstellungen und Lebensplänen gibt. Jeder hat seine eigenen Wertvorstellungen und Eigenheiten. Da kann es schon Differenzen geben, schon aus Altersgründen und auch verschiedener Arbeitsweise.

In den meisten Fällen läuft es dann aber doch anders ab. Von einem solch positiven Beispiel will ich hier kurz berichten. Bei einem Gespräch auf dem Streicherhof mit den Eltern Marlies und Hans sowie Sohn Martin Leis konnte ich mich von einer gelungenen Übergabe überzeugen. Der Hof ist sicher jedem Uffinger bekannt. Die Chronik erzählt von Georg Streicher, der 1591 als erster Eigentümer eingetragen war und dem Anwesen den Hausnamen gab. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hatte der Hof, der im 17. und 18. Jahrhundert im Steuerbuch als 1/2 Hof zum Kloster Benediktbeuern eingetragen war, wechselnde Eigentümer. Zeitweise wurde das Anwesen auch als Ziegelei betrieben.

Im Jahr 1909 kaufte Johann Leis, der Großvater von Hans und Urgroßvater von Martin den Hof, den seit dieser Zeit die Familie bewirtschaftet. Sie erzählten, dass der Hof ursprünglich wohl ein größeres Gut war, im Laufe der Zeit aber immer wieder Grund verkauft wurde. Heute werden noch etwa 36 ha (Zupachtfläche eingeschlossen) bewirtschaftet.

Bei unserem Gespräch, das Corona bedingt im Freien stattfand, bemerkte ich gleich zu Beginn drei Dinge: eine in sich ruhende, Zufriedenheit ausstrahlende Familie, die Liebe zum Hof und damit zur Landwirtschaft sowie gegenseitiges Vertrauen. Für die Weitergabe des Besitzes an den Nachfolger in meinen Augen die wichtigsten Voraussetzungen.

»Jungbauer« Martin hat nach seiner dreijährigen Lehre zum Landwirt noch die zweijährige Weiterbildung zum staatlich geprüften Techniker für Landbau absolviert. Von klein auf half er schon auf dem Hof mit, seit 2008 als Vollzeitkraft. Vater und Sohn ergänzten und ergänzen sich gut. Die junge Familie baute sich ein eigenes Haus. Außerdem werden auf dem Streicherhof Ferienwohnungen für Urlaub auf dem Bauernhof angeboten, das erste Foto mit Urlaubsgästen auf dem Hof ist aus dem Jahr 1926. In »normalen« Zeiten ist dies eine willkommene Ergänzung zum Hofeinkommen. Das nächste Vorhaben ist der Bau eines Stalls für die Kälber, um auch diesen mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.

Seit 25 Jahren ist der Betrieb in einer Maschinengemeinschaft mit zwei weiteren Betrieben organisiert. Alle Erntearbeiten auf den Betrieben werden gemeinsam erledigt.

Das gute Zusammenleben führte dazu, dass Vater und Sohn schon früh eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) zur Betriebsführung gründeten. 2019 wurde in einem notariellen Vertrag dann der Eigentumsübergang besiegelt. In diesem Vertrag wurden die Einzelheiten festgelegt, nicht so konkret wie z. B. in der Anzahl der Eier, die wöchentlich den Übergebern zustehen, aber das lebenslange Wohnrecht und Kost sind darin niedergelegt. Die GbR für die Betriebsführung wird weiter geführt. Schließlich sind Marlies und Hans noch nicht im Rentenalter.

Für Marlies wurde es Zeit, zum Kochen in die Küche zu gehen. In der weiteren Unterhaltung wurde auf dem Weg zum Stall deutlich, wie sehr Hans und Martin an ihrem Beruf hängen, der wirklich in diesem Fall auch eine Berufung ist. Wir unterhielten uns natürlich auch über die derzeitige Situation der Landwirtschaft und dem Problem, wie ein auskömmliches Wirtschaften, d. h. vernünftige Preise erzielt werden könnten. Die Lösung, da waren sich alle einig, wird nur langsam durch eine Veränderung der Förderrichtlinien, durch eine Reduzierung der Produktion und durch die Ausrichtung auf die Versorgung des heimischen Marktes mit hochwertigen Produkten möglich sein.

Wie sehr Martin seinen Beruf liebt erfuhr ich, als er mir kurz noch den Melkstand zeigte: »Das Melken macht mir am meisten Spaß, da bin ich meinen Tieren am nächsten und sehe direkt das Ergebnis meiner Arbeit«.

Hermann Pönisch

Ausgabe-60-Buergerblatt-03-2021 

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