Das lose und bewegliche Material anorganischer und organischer Stoffe, welches wir Boden nennen, wirkt in der Regel als Teil von Ökosystemen.
Dazu gehören das Leben der Mikroorganismen und deren Leistung, Humus abzubauen. Ebenso die Leistung als Filter, durch den der Eintrag fremder Stoffe an Mineralkörnern angelagert und auf diese Weise zurückgehalten wird. Von besonderem Interesse sind die für Mikroorganismen, Pflanzen, Tiere oder Menschen schädlichen Stoffe.
Ein Paradebeispiel dafür ist der Eintrag von Schwefel- und Stickstoffverbindungen zusammen mit Wasser, welche den Boden sauer machen. Die Säuren wiederum lösen für die Vegetation und Bodentiere schädliche Schwermetalle, lösen Minerale und Pflanzennährstoffe, die dann ins Grundwasser gelangen können. Gelöste Salze verringern bei vielen für die Ernährung des Menschen wichtigen Kulturpflanzen die Aufnahmefähigkeit von Pflanzennahrung.
Radionuklide
Potenziell schädlich, doch von ganz anderer Art als chemisch-physikalische Lösungen und Bindungen, sind Elemente, welche zerfallen und dabei Energie in Form von Strahlung abgeben. Das trifft auf Anteile der Stoffe der Böden zu. Ihre Strahlung verändert die Zellen von Organismen. Die instabilen und zerfallenden Elemente werden als Radionuklide bezeichnet.
Radionuklide finden sich nicht nur von jeher in den Böden oder Gesteinen. Sie werden auch ständig durch kosmische Höhenstrahlung, einer energiereichen Strahlung von außerhalb unseres Sonnensystems, natürlich u. a. in der Atmosphäre erzeugt. Radionuklide entstehen auch durch gezielte menschliche Tätigkeit, der Atomindustrie. Stäube in der Atmosphäre gelangen durch Ablagerungen und sehr wirksam durch Niederschlag ausgewaschen auf und in den Boden.
Radionuklide können sich im Boden anreichern und in die Nahrungskette gelangen. Dort können sie weiter konzentriert werden. Bekannt ist die Ansammlung in bestimmten Pflanzen, Speisepilzen und wilden Tieren, abhängig von ihrer Nahrung (Wildschweine). Bis heute betrifft das auch die Gegend um Uffing nach dem Kernkraftunglück in Tschernobyl 1986. Die Aufnahme in die Vegetation erfolgt über das Wurzelwerk, unmittelbar nach der Ablagerung von Staub oder von mit Nukliden belastetem Wasser (Niederschlag) und auch über Teile in der Luft (Laub).
Isotope
Die Arten von Atomkernen werden Isotope genannt. Die beim Zerfall ausgesandte Strahlung ist sehr unterschiedlicher Natur. Sie kann als sehr kurzwellige elektromagnetische Strahlung, analog der Röntgenstrahlung, auftreten. Oder die Strahlung erscheint als elektrisch geladene oder neutrale Teilchen. Die Fähigkeit, Stoffe zu durchdringen und biologische Veränderungen hervorzubringen, ist verschieden.
Sehr verschieden sind auch die Geschwindigkeiten, mit denen Isotope zerfallen und sich in andere Isotope umwandeln. Die bekannte Halbwertszeit (HW = Zeit, in welcher die Hälfte eines Isotops zerfallen ist) erlaubt es, das Alter von Gestein oder von Böden bekannter Zusammensetzung zu bestimmen. Ein Isotop des Kohlenstoffes (HW 6.000 Jahre) dient der Altersbestimmung von organischem Material, etwa in Mooren konservierten Baumwurzeln. Allerdings können Einträge künstlich erzeugter Isotope Fehler verursachen.
Thorium und zwei Isotope von Uran bestehen seit der Entstehung der Erde. In der Reihenfolge der durch den Zerfall gebildeten Isotope tritt auch Kalium (HW 1.250.000.000 Jahre) auf, das in Böden sehr verbreitet und ein kräftiger Strahler ist. Die Stärke wird gemessen in Anzahl der Kernzerfälle je Sekunde (Becquerel = Bq) bezogen auf ein Kilogramm (kg) Masse oder einen Kubikmeter (m³) Volumen. Das Kohlenstoffisotop zerfällt mit ca. 300, Kalium mit 600 Bq/kg.
Kalium und Radon
Kalium ist für alle Pflanzen, ja alle Lebewesen, wesentlich, weil es Lebensprozesse steuert oder beeinflusst. Kalium macht bis zu zwei Prozent der Erdkruste aus. Im Laufe ihrer Geschichte, u. a. der Austrocknung von Meeren, haben sich Ansammlungen von Kalium gebildet, die heute Kunstdünger liefern. Die Böden und Mischungen an Gesteinen ergeben in der Uffinger Gegend sehr unterschiedliche Werte, auch abhängig von den Mineralen, welche während der Eiszeiten von den Alpen hergeführt wurden. Radioaktive Isotope, so auch von dem weit verbreiteten Kalium, werden über die Nahrung auch im Menschen eingebaut.
Beim Zerfall von Thorium und Uran treten instabile Isotope des Gases Radon (HW Sekunden bis Tage) auf, im Voralpenland mit weniger Becquerel als beispielsweise im Bayerischen Wald. In freier Luft um Uffing werden oft nur 10 Bq/m³ gemessen, bei Wind von den Alpen her etwas mehr. Doch lokal durch Gletschertransport radioaktiven Materials ergeben sich in darüberstehenden Gebäuden um Uffing Radon-Zerfallshäufigkeiten um bis zu 1.000 Bq/m³ Luft. International ist in Neubauten eine Obergrenze von 200, in Altbauten 400 Bq/m³ festgelegt worden. Radon in der Atemluft gilt als Quelle der stärksten natürlichen Strahlenbelastung des Menschen. Radon zerfällt zu Bleiisotopen, die als Staub durch Niederschlag wieder in den Boden gelangen.
Künstliche Isotope
Die meisten der Radioisotope, die durch Waffentests oder Unglücke in der Industrie freigesetzt worden sind, haben kurze Halbwertszeiten. Wichtige Ausnahmen sind Cäsium und Strontium mit HW um 30 Jahre. Stäube von u. a. Cäsium aus dem havarierten Kernkraftwerk Tschernobyl wurden durch Starkregen am nördlichen Alpenrand lokal in sehr unterschiedlicher Menge in den Boden eingetragen.
Um die biologisch auf den Menschen wirkende Strahlenbelastung durch verschiedene Isotope und verschiedene Strahlungsarten vergleichbar zu machen, wurde die Einheit Sievert (Sv) entwickelt. Sie beschreibt die Dosis, meist summiert für ein Jahr und angegeben in tausendstel Sievert, mSv. Die Belastung im Uffinger Raum aus dem Boden dürfte geschätzt maximal bis zu 1 mSv/Jahr betragen, dazu 1,5 mSv aus dem eingeatmeten Radon und 0,2 bis 0,4 mSv kann der Nahrung
(u. a. Kalium) zugeschrieben werden.
Vergleichsweise kann die Belastung der Normalbevölkerung durch medizinische Anwendungen mit immerhin 2 mSv jährlich angenommen werden. Die kosmische Höhenstrahlung kommt mit 0,3 mSv, bei Vielfliegern auch mehr, hinzu. Die Dosis aus Isotopen der früheren Atombombenversuche und von Geräten des täglichen Lebens sind den genannten Quellen gegenüber vermutlich zu vernachlässigen.
Cäsium und Strontium
Die Bindung natürlicher und künstlich erzeugter radioaktiver Isotope im Boden unterscheidet sich. Die in Mineralien eingebundenen Isotopen sind weniger verfügbar als die an Partikeln angelagerten künstlichen. Isotope von Cäsium und Strontium stammen aus natürlichen Quellen. Bedeutsam für Uffing sind die in der Atmosphäre gesprengten Atombomben (von 1945 bis ca. 1970) und das Unglück von Tschernobyl 1986.
Die sehr hohen Temperaturen bei der Sprengung von Bomben haben zu mehr Strontium geführt als Tschernobyl. Die grob gesehen gleichen Halbwertszeiten von Strontium und Cäsium bedeuten, dass der Eintrag von Cäsium im Uffinger Raum gegenwärtig den wesentlichen Beitrag an Strahlung künstlicher Isotope im Boden liefert.
In lehmigen Böden, wie sie um Uffing gegeben sind, wird das hier aktuelle Isotop von Cäsium gut festgehalten. Daher dringt es nur sehr langsam, Millimeter pro Jahr oder überhaupt nicht mehr, in den tieferen Boden. Es bleibt nahe der Oberfläche (Wurzelzone von Feldfrüchten). Schneller und tiefer dringt das Isotop in Sandboden ein. Für Strontium trifft diese Verschiedenheit nicht zu. Auch wenn es von Humusstoffen bevorzugt gebunden wird, dringt es wie andere kontaminierende Stoffe in den tieferen Boden vor.
Reinhard Mook
(veröffentlicht in Hoagart 12 | Juli 2024, siehe unten, Seite 54)
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